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FAT VOODOO

Vom Anfänger zum Genie

Einerseits genügt es zwar, das eigentliche Thema unserer Schöpfungsgeschichte bereits lückenlos und logisch formuliert zu haben, andererseits müssen wir aber auch einen gewissen Überschuss an Bildern abliefern, wenn wir uns eines Tages den außerirdischen Lebensformen verständlich machen wollen. In vielen Bereichen kommt ja eine Kultur, die sich werbewirksam mitteilen will, nicht ohne Wiederholungen oder ohne schmückendes Beiwerk aus. Doch ein kraftvolles Bild bleibt dennoch kurz und bündig. Es sollte also keine bedeutungsseligen Abschweifungen enthalten.
EINE ZEICHNUNG ENTHÄLT KEINE ÜBERFLÜSSIGEN LINIEN UND EIN MECHANISCHES UHRWERK ENTHÄLT KEINE ÜBERFLÜSSIGEN ZAHNRÄDER. Natürlich bedeutet dies nicht, dass unsere Kunst einen Gegenstand lediglich in seinen Umrissen darstellen sollte, und dabei allein die äußeren Konturen ausbildet oder auf durchaus reizvolle Einzelheiten verzichtet, sondern es bedeutet, dass jeder einzelne Pinselstrich tatsächlich etwas Wahrhaftiges zu sagen hat. Er ist ein Schatten, der sich mit dem Baum bewegt, so wie es uns der unsterbliche Klopstock einmal in seinen Gedanken über die Natur der Poesie um 1759 nahe gelegt hat.



Von der Leinwand zum Kopf

Auf eine solche Bildkraft der Kürze und der Würze lässt sich mit einem schlichten Trick die Probe machen:
WER EIN GUTES, ANSCHAULICHES UND SAFTIGES BILD MALEN WILL, DER PRÜFE, OB SEINE GEDANKEN ZU DIESEM BILD ALLESAMT IN EINEM KURZEN GEDICHT IHREN PLATZ FÄNDEN ODER OB DIE GEDANKEN, BEREITS IM ANSATZ, IN EINEM WEITSCHWEIFIGEN ROMAN ÜBER LIEBE, UNGLÜCK UND VERZEHRENDE LEIDENSCHAFTEN UMHERIRREN. Mit der scheinbar so unschuldigen Form des Gegenständlichen, wird ja auch viel Missbrauch getrieben. Ein gegenständliches Thema ist aber immer erst dann hässlich, wenn die Farben vollständig von diesem abhängig sind. Oder wenn in der Verschachtelung gar mehrere Diagonalkompositionen gleichwertig aufeinander stoßen. Es ist falsch wenn eine einmal getroffene Aussage sich sinnlos mit sich selbst multipliziert. Ein solches Scheussal ruft sofort nach drei Scharfrichtern statt nach einem. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass die Erlaubnis mit Pinsel und Palette als Studierender eine Akademie betreten zu dürfen und andererseits die Fähigkeit eines
homo sapiens ein Bild malen zu
können lediglich eine Vermutung wiedergeben. Denn die Erlaubnis folgt keineswegs einem vorhandenen Bedürfnis und das Talent ein Bild zu malen, entspricht nicht zwangsläufig einem Können. Es handelt sich hier um einen Konjunktiv der Kunst.




Vom Schnabel zum Ohr

Und wenn nun ein Gemälde außer Blähungen und Spitzfindigkeiten nichts bewerkstelligt - sind dafür nicht auch die Farben da? Durchaus. Nur spreizen sich da die Farben im Befinden, sie
kuren und sie urlauben, sie liegen müde auf der Leinwand herum und verdienen ihren Beifall als tote Farben. Tote Farben bezeichnen dabei nicht einmal ein Tun, sondern lediglich ein bloßes Vorhandensein und einige Farben überdies hinaus, zum Leidwesen der Kunst, bezeichnen dies auch noch auf eine abstrakte, auf eine vielsilbige oder auf eine schwafelige Art und Weise. Es hilft eben nichts - erst einmal muss der Müll beiseite geschoben werden und selbst ein berühmter Rainer Maria Rilke trifft nicht jedermanns Geschmack wenn er uns reimend mitteilt: Hoch schüchtert, scheu wie ein Reh, Ein Stern überm Uferschleh. Wir geraten hier lediglich von einer Grundbefindlichkeit zu einer scheinbaren Befindlichkeitsqualität und von dort rasch an die Grenzen von einem Missbefindlichkeitspegel. UND SCHLIESSLICH LANDEN WIR BEI DEN HYPERAKTIVEN LEICHNAMEN DER KUNST, DIE UNS MIT FEINSINNIGEN SCHÖPFUNGEN BEWERFEN, MIT GRANDIOSEN LEINWANDVERAMPELUNGEN, MIT STAFFELEISTELLPLATZWARNSTREIKS UND MIT VERSCHLAGWORTETEN PHOENIXAUSDERASCHEINFORMATIONSVERDACHTS-BESCHAFFUNGSVERPFLICHTUNGEN UND MIT EINER IMPONIERENDEN AUGENAUFSCHLAGS SEKUNDÄRTUGENDORIENTIERTHEIT.



Vom Gesetz der Schwere zu den, zu Gebote stehenden, Mitteln

Sich dennoch auf jene Betrachter einzustellen, denen man sich in Bildern mitteilt und für die man in Bildern oder über Bilder redet ist dabei übrigens nicht an die Verständnisfähigkeit
eines Publikums oder an die Schwerverständlichkeit eines Kunstwerkes gebunden, sondern ausschließlich an die Menschenliebe und an den eigenen Verstand. Und eigentlich sollte man das in der Schule bereits gelernt haben: einen schwierigen Text so oft zu lesen oder so hartnäckig zu analysieren, bis man ihn richtig verstanden hat. Gut so. Nur als Erwachsene glauben wir dann plötzlich, wir hätten bereits genug getan, wenn wir etwas auf Papier oder Leinwand gebracht haben, von dem wir überzeugt sind, dass es das Innerste unseres Wesens in seiner ganzen Tiefe zu erkennen gibt.
DER ERFOLG DER KUNST WIRD HIER ALSO MIT DER GEGENSÄTZLICHEN ABSICHT DERSELBEN VERTAUSCHT. Es fehlt eben immer wieder an der Einsicht, dass beide, der Kunsterschaffende und der Betrachter, sich damit herum plagen müssen, wenn ein komplexer und komplizierter Vorgang auf einem Bild auftaucht. Aber die Betrachter der Kunst neigen immer wieder etwas allzu leichfertig dazu, diese Plage allein auf das Kunstwerk abzuwälzen. SPIELREGELN UND GUT GEMEINTE RATSCHLÄGE AN DIE KUNST SIND DANN DIE QUITTUNG FÜR EINEN DRINGLICHEN WUNSCH SICH DER WELT DARIN MITZUTEILEN, DASS MAN SICH SELBST NUR ALLZU GUT VERSTEHT ODER AUCH NICHT.



Vom unverdaut Dürftigen zum exotisch Halbgedachten

Der Anfänger beginne daher zunächst einmal damit bescheiden und unaufdringlich seine Arbeitswerkzeuge und Materialien in die richtige Startposition zu bringen. Danach sollte er sich entschlossen von allem abwenden, wovon ein allgemeingültiger Zeitgeist gerade behauptet, es kennzeichne einen bestimmten Stil. Man hüte sich vor solchen Manierismen und Tricks. Malerei entsteht, ihrem Wesen gemäß, von ganz alleine durch das Zusammentreffen von Klarheit, Schlichtheit, Aufrichtigkeit und Komposition. Eine Kunst, die
wie ein Pfingstochse überladen ist, kann man daher nur schwer zu verdauen. Meist ist sie unbekömmlich und manchmal sogar reizt sie bis zum Erbrechen. Aber, könnte der naseweise Anfänger nun fragen, was ist, wenn das Uferlose in Wahrheit meine eigentliche und meine ganz natürliche Ausdrucksweise ist? Und wenn ich nun ein bahnbrechender Erfinder bin oder ein genialer Träumer? Dann sei eben ein Erfinder oder ein Träumer, aber vergiss das eine nie:
WAS VIELLEICHT FÜR DICH WIE EINE PIONIERTAT AUSSIEHT ODER WAS DA WICHTIGTUERISCH WIE EIN GROSSER SCHRITT FÜR DIE MENSCHHEIT DAHER KOMMT, IST NÜCHTERN BETRACHTET OFT NUR EIN ÜBERMASS AN BESINNUNGSLOSIGKEIT UND TRÄGHEIT. Und die aufgesetzte Abneigung sich der Disziplin nötiger Grundlagen unter zu ordnen, führt rascher in ein raues Land, als zu irgendeinem Ziel.



Von Tricky Fresh zu Polly Dolly

Denn es wimmelt, wie schon Lessing gewusst hat, von Leuten, die alles das was sie nicht verstehen, für ausgesprochen erhaben halten. Erst recht ist diese Gesinnung in der Kunst sehr beliebt. Das Unverständliche und seine Unartikulierbarkeit bietet schließlich ein warmes Versteck und allerhand Vorzüge: Es putzt die Attitüden heraus, schüchtert die Kritiker ein, bringt in den Zirkeln sogenannter Geisteswissenschaften zügig voran und macht aus jedem kindischen Furz den Hauch einer globalen Kompetenz. Seither widmet sich die Kunst, bei immer mehr von unseren Zeitgenossen, vorwiegend dem Phänomen der
Polyinterpretabilität und den Schlagworten für die Implikationensynergieeffekte der technologiemedialen Interaktionen virtuell manipulierter Entwicklungen. DIDAKTISCH UND DIALEKTISCH STRAFF IN MARSCHRICHTUNG AUSGERICHTET, WIRD SO ADORNO ZUM LEITHAMMEL EINER KUNSTBEFLISSENEN HERDE, DIE SICH NICHT ZIERT OHNE ZÖGERN EINMAL NACHZUPLAPPERN, DASS DIE GESELLSCHAFTLICHE TOTALITÄT KEIN EIGENLEBEN FÜHRT OBERHALB DES ZUSAMMENGEFASSTEN, AUS DEM SIE SELBST BESTEHT. Eine raffinierte Technik das Eigentliche mit komplizierten Verschachtelungen zu überwölben. Wer gebildet tut, der ist allerdings nicht immer intelligent und besonders die Intelligenten haben oft nicht den geringsten Verdienst daran, dass sich das Effektive vom Effizienten in großartiger Weise unterscheidet. Hier nun füge ich gleich die schlichte Übersetzung an: Wenn es dem Insassen einer Nervenheilanstalt plötzlich etwas besser geht, bedeutet das schließlich auch nicht, dass er völlig gesund ist.



Vom schamlosen Gegenstand zum frottierten Badezimmer

Zuerst also waren vor Millionen von Jahren die Warane und die Erdferkel da, und dann erst die Künstler. Willkür und historische Notwendigkeit haben immer wieder die Entwicklung der Kunst geprägt. Erst bedeutet hier erstens zuerst und erst zweitens zuletzt. Unsere Kunst, und das liegt ja wohl nahe, hat in ihrem Ursprung, zuallererst einmal das Extrem benannt und nicht den Normalzustand:
DIE WIEDERKEHR DER SONNE, DEN ZORN DES HAGELS, DIE GOTTHEIT DES BLITZES UND DIE FURCHT VOR EINER MAGEREN BEUTE BEI DER JAGD. Das Laue, das Mittelmäßige und die behäbige Gutbürgerlichkeit hat dabei keine Rolle gespielt und nirgendwo war in der Frühzeit der Schöpfungsgeschichte einem solchen Unfug der Weg in ein Bild gestattet. Feuchte Augen kriegen oder trübsinnig dreinblicken oder sogar wohlgesonnen lächeln, womit das Publikum dann später unterhalten sein wollte, war am Anfang noch kein erstrebenswerter Anlass für einen Künstler, eine Höhlenwand damit zu belästigen. Erst das tiefgekühlte 20. Jahrhundert hat uns um derlei feinsinnige Übertreibungen bereichert. DIE KUNST WURDE ZUR PARAPHRASE AUF EINE EINDEUTIGE GEGENSTÄNDLICHKEIT. Die Türe des Hause oder das Zimmer des Bades etwa, wie bei den Impressionisten. Und das zeigt wieder einmal, dass selbst die Windmühlen eines Cervantes nicht imstande sind, den Wind zu mahlen, während doch eine einfache Kaffeemühle durchaus ihren Dienst versieht. Es war also angebracht, dass der radikale Marcel Duchamp die Position des Gegenstandes neu festgelegt hat.



Von der berittenen Polizistenwitwe zum vierstöckigen Hausbesitzer

Die Fülle typischer und untypischer Eigenschaften der Kunst ist übrigens auf ärgerliche Weise doppeldeutig. Zum einen wird dem wertfreien Bezug zu einer Sache Ausdruck verliehen und zum anderen den Werturteilen über eine Person. Den immer wieder auftauchenden Missbildungen in der Kunst haftet folglich eine irritierende Nebendeutung an, die sich nicht einmal vermeiden lässt, wenn man bedenkt, von welch kindlichem Zuschnitt ein Mensch beschaffen sein muss, dass er der Kunst verfällt. Und um nun gar keine Zweifel daran zu lassen: jene Heuchelei, welche das 19. Jahrhundert mit dem Moralbegriff in die Kunst eingebracht hat, kann heutzutage nicht einmal mehr ein kleines Mädchen vor dem Fernseher erschrecken. Bei so viel Ansporn zur massengesellschaftlichen Uniformität mit den Versatzstücken aus einem Hackfleischregal im Supermarkt, möchte auch die Kunst nicht hinten anstehen und erklimmt im Sammlermuseum einen Körper zügig dort, wo sich die Augen auf den Kopf stellen und das nicht nur weil sich weltweit Vordergrund, Hintergrund und Mittelgrund immer schwerfälliger damit anstellen sich in eine erträgliche Logik zueinander zu bringen.
DER GIPFEL DER VERWIRRUNG SIND DANN DIE PREISE, DIE DAFÜR AUCH NOCH VERLIEHEN WERDEN, UND DIE PREISE, DIE DARAUFHIN SCHLAGARTIG ERZIELT WERDEN. Dabei hat die Vergabe eines Preises mit der Preisgabe der Kunst nicht nur rein zufällig eine allzu offensichtliche Verwandtschaft.



Vom dahinrieselnden Flüstern zur Poetik des Summens

Aber wo sind sie denn nun eigentlich, die rundum erstrebenswerten Bilder? Die Kunst als eine wahre Königin des Herzens? Eine penetrante Anhäufung in den Star-Containern gefeierter Star-Architekten kann da kaum ein Vorbild sein. Sie verführt gerade mal zu dem banalen Unterschied, den das Vorschulalter mit bunten Bauklötzchen aufeinander häuft. Kurzum:
VON DEN SELBEN KÜNSTLERN BEKOMMEN WIR BEHARRLICH DAS GLEICHE ZU SEHEN, DAS WIR IN EINEM ANDEREN KUNST-CONTAINER IN IRGENDEINER ANDEREN PROVINZ ODER METROPOLE BEREITS AUSGIEBIG BEJUBELN DURFTEN. Landauf und Landab wird überall nach Luft geschnappt um einmal Atem zu holen, während eine Ausstellung nach der anderen überwechselt von Sigmar Polke zu Georg von Baselitz, oder umgekehrt oder noch einmal das ganze von vorne. Wir vertrauen dieser kraftvoll dynamischen SL Klasse und haben keine Lust mehr und schon gar nicht die nötige Bildung um an dieser Stelle einmal nach einem unverbrauchten oder unerwarteten Bild zu suchen. Gläserne Paläste mit ihrer pompös inszenierten Behindertentreppe stellen den Rundenrekord auf für das ungenierte und adrenalingesteuerte Herumpopeln in der Kunst. Und die Zeitungsschmierer spenden auch noch donnernden Applaus, wenn ein in Auftrag gegebenes Feuerwehrhaus für darin herum stolpernde Feuerwehrleute und für die Brandfälle gleichermaßen katastrophal ist. IN DEN KUNSTMAGAZINEN ABER WALLEN UND SIEDEN DIE VERIRRTEN WÄNDE, ES BRAUSEN UND ZISCHEN DIE TIEFEN FLUCHTEN UND DIE KÜHNHEIT DES ENTWURFS LÄSST DIE BALKEN KRACHEN, DIE PFOSTEN STÜRZEN UND DIE HOHEN FENSTER KLIRREN. Dabei jammern nur die an den Händen ihrer Kunstabonnements-Mütter herumgezerrten Kinder.



Vom Paradies zum Millionär

Nehmen wir also einmal ein paar ganz gewöhnliche Bilder und lassen sie einfach ein paar gewöhnliche und vielleicht auch ein paar ungewöhnliche Dinge sagen. So als würde ein Schriftsteller uns eine kleine Bühne aufbauen:
Er sah nach draußen, wo der Winter sich mit der Elbe beschäftigte. Und gleich noch eine weitere Zumutung, um, bei wachem Misstrauen, einem guten Ratschlag Schopenhauers folgend, darum zu ringen, dass das Altgediente so verwendet wird, dass es bellend und brüllend frisch erblüht. DER MORGENWIND, DIE SCHNEEFLOCKEN, DIE SICH HERUM JAGEN, DAS LEICHTE GESTÖBER IN DEN BERGEN, DIE VIER JAHRESZEITEN IN EINEM TAL UND EINE GESTALT, DIE SICH WUNDERT. Dies ist der Inbegriff dessen, was die deutsche Kunst mit schlichten Mitteln leisten kann. Hier wird keine Farbe steif geschlagen und hier tummeln sich auch keine Schilder, die den Besucher darauf hinweisen: SIE WERDEN HIERMIT AUFGEFORDERT... Die ständige Anpassung darwinistischer Rekorde an die Natur, in Richtung Gewerkschaftsnachwuchs, ist von der westdeutschen Rektorenkonferenz nach dem Bundesförderungsgesetz schließlich als unvertretbar kritisiert worden. Verstummelte Ellipsen fließen seither in die Borstenhaare der Pinsel ein und hangeln nach einer griffigen Formulierung für die überaus wichtigen Fragen was denn die Technologie noch so alles vollbringen wird, was genau die Wirtschaftsbosse von uns überhaupt wollen und welche Politiker die Leute in den Sommerferien am liebsten mögen.



Von Osteoarchäologie zu Paläpathologie

Schade, dass man so vieles nicht erfährt. Hier erahnen wir gleich mehrere Ursache der ganzen Entwicklung in der Kunstlandschaft.
WEITE KREISE DER BEVÖLKERUNG BELAGERN INZWISCHEN DIE MUSEEN. Aber wie hat man sich eigentlich die Mehrzahl von einem Kreis überhaupt vorzustellen? Wie einen Verkehrsunfall der Olympischen Ringe? Oder etwa in einem Kinder-Kreisel, der besinnungslos über einen Holzfußboden gepeitscht wird und dort wild um sich schlägt? Und warum überhaupt Bevölkerung? Weil das in vier Silben gemeißelte Volk schon einmal ziemlichen Unfug getrieben hat mit seiner zusammengerotteten Mehrheit? Gemeint ist also: massenhafte Besucherrekorde brüllen nach dem Totalen Museum und viele Andere oder viele andere, weniger hysterische Mitmenschen wollen diesmal vorsichtshalber nicht dabei gewesen sein. Wir sollten deshalb letztere, im eigenen Interesse, unverzüglich etwas verbindlicher als mündige Bürger einstufen. Manch einer davon vermeidet sicherlich auf einer hohen Stufe des Bewusstseins das Lahme, das Pyramidale und das Unverbindliche in der Kunst. SCHON JORGE LUIS BORGE LOBTE JA AN EINER HISTORISCHEN SCHILDERUNG AUS DER ZEIT PHILIPPS II JENEN PASSUS MIT DER SPECKSUPPE, DIE IN EINER TERRINE MIT EINEM VORHÄNGESCHLOSS SERVIERT WURDE, UM SIE VOR DER FRESSGIER DER PAGEN ZU SCHÜTZEN.

Von der Hälfte zur ganzen Willkür

Immer wieder wird ja darin herum gerührt, dass in meinen Ansichten kein Mangel herrscht an eiferndem Sendungsbewusstsein und an apodiktischer Schärfe. Ich musste dieses Adjektiv zuerst einmal im Duden nachschlagen und befand mich sofort in guter Gesellschaft.
DEMNACH KANN MAN VON MIR ALSO BESTIMMT NICHT ERWARTEN EINE ZIVILE UND FREUNDLICHE DENKART ÜBER DAS WESEN DER KUNST ANZUSTREBEN. Dennoch gehört ja ein Teil meiner Sympathie, allem zum Trotz, durchaus auch jener qualligen und gedrechselten Unzumutbarkeit, mit der die Kunst uns unablässig ihre Verdienste abverlangt und dafür im Gegenzug unverwertbare Rezepte anbietet. Aber aus Höflichkeit und aus Respekt soll ich es mir dann untersagen auch einmal heftig dagegen zu eifern? Da soll ich womöglich sogar noch beweisen müssen, dass Kunst weder verständlich ist, noch dass sie irgendeinem Kriterium für den gesunden Menschenverstand folgt. Denn die Kunst stammt ja oft einfach nur aus dem Bauch und leider ist sie auch allzu oft danach, wie es uns viele belegbare Kunstwerke beispielhaft vorführen. Und eines davon gleich vorweg: Wie riecht eigentlich die Eingeweide von einem in Kunsthonig eingelegten Hirsch, in deren Gedärme es sehr dunkel und anspruchslos zugeht? AUS IRRTUM UND ZOTEN GEZEUGT, KLEBT NUN DIESES DING ALS TAFELSCHMUCK AUF UNSEREM TISCH. Und warum eigentlich, weiß fast niemand mehr.



Vom verkrusteten Verschlimmern zum elitären Verkomplizieren

Was allerdings noch viel schlimmer ist: dass das Wort Kunst nicht einmal einen erkennbaren Zusammenhang mit dem hat, was es besagt. Oder dass das Wort Kunst etwas völlig anderes besagt, als das, was es zu besagen scheint. Gleichsam wie ein Buchmacher, der ja, bekanntermaßen, keineswegs ein Buch macht, sondern in einem Wettannahmebüro tätig ist. Das Wort Kunsthonig erinnert uns deshalb auch sofort, wie eine Ohrfeige, an eine
Künstliche-
Intelligenz Forschung, bei der es durchaus angebracht wäre, das Künstliche hierbei einmal klein zu setzen und von der Intelligenz gründlich zu trennen. MIT IHREN GENIALEN WORTSCHÖPFUNGEN ALSO HAT DIE KUNST IM NAMEN DES KUNSTHONIGS DAS ABENDLAND IM STURM EROBERT. Dabei ist die Kunst doch gewiss eine großartige Aufgabe und fast beinahe, in dieser sich steigernden Verdoppelung, so religiös, als würde man in einem Amt für Öffentliche Telegrammaufgabe bei der gegenüberliegenden Konditorei die Bestellung für eine Lieferung kunstsinniger Marzipantörtchen aufgeben. ABER DERLEI GELINGT DER KUNST JA IMMER WIEDER PRÄCHTIG, SO WIE DEM HENGST SEIN GEHÄNGE.



Von der leichten Tarnung zum sozio-psychopathischen Beipackzettel

Als ob die Kunst nicht schon genügend Tücken hätte. Und als ob wir nicht schon genügend damit auf Trab gehalten werden, der Gastgeberin zuliebe eine grässliche Speise mit dem Ausdruck eines Wohlgefallens herunterzuwürgen. Halbe und volle Lügen sind ja nicht nur auf die Mimik oder die Gestik der Kunst angewiesen und ähnliches gilt für sämtliche Irreführungen und für alle Beschönigungen. Ein Hund, hier nur mal zum Beispiel, hat sich, über nur wenige Stufen der Anpassung hinweg, in kurzer Zeit, selbst beigebracht, einen Gesichtausdruck aufs Parkett zu legen, der andeuten soll, dass ein Tier einen Menschen hemmungslos liebt, sobald dieser ihm einen Fressnapf vor die Nase stellt. Darin liegt der Idealfall aller begnadeten Künstler: das Wesentliche mit dem richtigen Ausdruck in Einklang zu bringen.
ES GEHT ALSO UM DIE GEHEIMEN VERSUCHE UNSERES UNIVERSUMS MIT DER VERHALTENSTEUERUNG DURCH DIE KUNST DER TRÖGEN EVOLUTION EINEN KRÄFTIGEN TRITT IN DEN HINTERN ZU VERPASSEN. Ohne dass die Beteiligten irgendetwas davon mitbekommen sollen, wie sie von einem Master Plan gesteuert werden. Deshalb sind auch sämtliche Gehirnzellen gelöscht um eine Kunst-Akademie als einen Entsorgungspark zu bezeichnen oder den häufigen Stillstand in der Kunst ein hartnäckiges Nullwachstum zu nennen. Auch wird die Duldsamkeit des Publikums dabei keineswegs öffentlich als repressive Toleranz ausgesprochen und über die Verteuerung der Bilder im Börsengeschäft wird nur hinter vorgehaltener Hand von der Entzerrung des Preisgefüges getuschelt. Derartig feurige Fachbegriffe sind in der Tat schon seit geraumer Zeit üblich im hermetischen Hochmut unserer Zivilisation.



Von der Knochenarbeit konkreter Kenntnisse zum heiligen Versagen

DIESES GROTESKE ERGEBNIS HAT FLÄCHENDECKEND DAFÜR GESORGT, DASS SICH DIE KUNSTWERKE INZWISCHEN EINEM STÜMPERHAFTEN MASCHINENBAUSTUDIUM ANGEGLICHEN HABEN ODER SO INHALTSARM SIND, DASS MAN DAMIT NICHTS ANFANGEN KANN. Dabei ist es nicht einmal wahr, dass die Kunst irgendwie unantastbar oder unübersetzbar wäre. Und es lässt sich auch nicht ernsthaft behaupten, dass gedankenlose Kernspaltungsfummler, Astro Proteinspezialisten und die Doppel-Helix Bastler einen solchen Haufen Vermutungen, hinter den Grenzen ihres Fachwissens, einfach ein paar durchgeknallten Ausstellungsprojekten zur weiteren Verfügung überlassen haben. Nur damit herumschippernde Sponsoren und frisch geschiedene Rechtsanwaltsgattinnen auf den Vernissagen nicht vor Langeweile sterben, während
New Economy Karrieristen, frisch gebacken von den Akademien, ihre Bügelfalten und ihr Abitur anbiedern.
ABER WELCHEN GEWINN HABEN WIR DENN ALLE DAVON ? Unsere Unwissenheit im Angesicht der Erdgeschichte mit schmierigen Parolen über systemimmanent relevante Explorationsdefizite zu verbrämen? Oder etwa im Hier und Jetzt dialogisch, autark und extrovertiert auf der Bühne zu stehen wie eine fettgedruckte Suchanzeige in der Rubrik für verloren gegangene Haustiere. UND WAS, UM HIMMELS WILLEN, HAT DENN DIE WELT DAVON ?



Von der Chemie der Dinge zum Bellen der Pixel

Die Kunst hat also mit der Arbeit dort aufgehört, wo sie hätte beginnen müssen, wenn sie denn überhaupt den Wunsch besessen hätte, sich auf die Bedürfnisse eines kugelförmigen Weltbildes und auf das Rätsel des Ursprungs einzulassen. Wer sich beispielsweise einmal, auch nur, über die Entstehung der Alpen informieren will, der muss sich sofort vor einem unklaren Kunstwerk gleichnamigen Titels von einem pickeligen Stipendiaten irgendeiner Kunststiftung zurecht stauchen lassen,
das geröllreiche kontinentale Verrucano habe, wie wir doch alle wissen, schließlich die mesozoische Geosynklinalphase eingeleitet. Arm in Arm mit der Wissenschaft versündigt sich so die Kunst als Konversationslexika an dem teuer bezahlten Umbau unzähliger historischer Dorfscheunen in ein künstlerisches Zentrum. Und niemand mehr ist sonderlich darüber erstaunt, dass ein Zentrum plötzlich den Drang verspürt sich der Ausübung künstlerischer Dinge zu widmen. Also ich stelle mir das eigentlich hübsch vor: Das Zentrum selbst und höchstpersönlich bastelt, aquarelliert und formt aus Salzteig kleine Figuren. Und der Bürgermeister in dem kleinen Dorf schreibt in das Gemeindeblatt: WIR HABEN UNSERE WELTOFFENHEIT IN DEN MITTELPUNKT EINES PROGRAMMATISCHEN JAHRES DER KÜNSTE GESTELLT, UM EINMAL MEHR DIE LEISTUNGSFÄHIGKEIT DER MODERNEN KUNST GEGENÜBER DEN DIENSTLEISTUNGSÄRMEREN VERTRIEBSBEREICHEN HERAUSZUSTELLEN.



Von der Lage der Situation zum Aufschwung des Existenzickismus

Bevor also wieder jemand ein Bild dahinschmiert, sollte er einmal höflichst in der obersten Chefetage anklopfen und sich erkundigen, ob das denn wirklich unbedingt nötig ist.
HABEN SIE ETWA IRGENDWELCHE DUNKLEN AHNUNGEN ? MAN MÜSSTE DIE KÜNSTLER DAS UNBEDINGT EINMAL FRAGEN, OBWOHL AHNUNGEN JA SOWIESO IMMER ETWAS ZIEMLICH DUNKLES SIND, DENN DAS HELLE GEGENTEIL DAVON BEDEUTET SCHLICHT UND EINFACH EIN GENAUES WISSEN. Dunkle Ahnungen sind übrigens die Edelfäule auf jedem Käse der Kunst. Da tröpfeln dann flink die erhabensten Floskeln von den Lippen und bilden wimmelnde Überschriften über das empirisch Gegebene und über die situative Gegebenheit. Und plötzlich schrillt das Telefon laut und das Guggenheim Museum will unbedingt hören was da los ist. So läuft das doch, oder? Man erkundigt sich gelangweilt über die kreative Flora in einer kleinen Kolonie des Marshall Plans und über die gesellschaftliche Ordnung in der sich gewisse Neo Nazis ganz besonders wohl fühlen. Das an Amerika drangeworfene sozusagen und dem lateinischen Ursprung nach ein unbeirrbares Eigenschaftswort das je nach seiner Funktion oder Herkunft genau so gut von links nach rechts wie von oben nach unten verschoben werden kann Vorsorglich hat man da schon mit dem Ende des Weltkrieges II. seine nuklearen Waffensysteme in Top Form gebracht. Ehrlich gesagt: mit so viel Gewichtigkeit wird nur bei den Gemälde-Ausstellungen in einer Pizzeria noch übler aufgebläht.



Vom vitaminreichen Spinat zur kapitalistischen Weltordnung

Ich erwähne hier an dieser Stelle nur einmal den meister-kunstlichen Bereich, den un-kunstlichen Bereich, den inner-kunstlichen und den außer-kunstlichen Bereich, den post-kunstlichen Bereich, den vor-kunstlichen Bereich, den hochschul-kunstlichen Bereich und den sonder-kunstlichen Bereich, den anti-kunstlichen Bereich, den gebäude-kunstlichen Bereich und den museumshausmeisterlichen Bereich. Da kreischen doch die ausgebufften Kunstschwatzer vor Vergnügen weil zu einer Eigenschaft endlich das Ding dazu gehört, das sie hat. Auch wenn alle diese Bereiche nichts zu sagen haben, fehlen dürfen sie natürlich auf keinen Fall. So wenig wie:
DAS FILZLICHE FETT, DIE LÖCHER IN DEN SCHLITZEN, DAS MONA-LISLICHE LÄCHELN, DIE KOPFSTÄNDLERISCHEN KÖRPER, DIE IGLUISCHEN INSTALLATINEN UND DER EINOHRIGE FLEISCHAUFSCHNITT. Ob es die Kunst wohl einfach nur darauf anlegt uns mit solchen billigen 50 Euro Antworten aus einem Fernsehquiz zu verarschen? Frage a) Der ernstliche Max? Frage b) Die seerosenteichige Blindenbinde? Frage c) Der burische Streifendaniel? oder Frage d) Der tahitianische Syphilitiker. SIE HABEN NUN ETWAS ZEIT KURZ DARÜBER NACHZUDENKEN WÄHREND WIR ZU EINER WERBEEINBLENDUNG FÜR DAMENBINDEN IN DER FASZINATION EINER FRÜHLINGSWIESE UMSCHALTEN. Und vielleicht gewinnen Sie ja auch eine formschöne Teetasse aus Zuckerwatte die rundum mit einem davidfriedlichen Caspar bedruckt ist.

Vom halbseidenen Strumpffabrikanten hin zur spitzfindigen Logik

DEN BLÄHUNGEN ZULIEBE HAT DER MENSCH DIE KUNST ERFUNDEN, AUF DIE, AUSSER IHM, ABSOLUT NIEMAND GEWARTET HAT. Und nicht einmal ein solches Monstrum wie der Datenschutz könnte einen solch gigantischen Faux Pas der Evolution wieder zurechtrücken. Erfreulicherweise haben wir seit mindestens einem halben Jahrhundert sowieso keine richtige Verwendung mehr für die Kunst. Wir haben sie erst aus den Felshöhlen und dann aus den Kirchen vertrieben und in einem warmen Wohnzimmer soll sie nun vor sich hin röcheln wie ein Lungenkranker in einem Sanatorium. Das ist so unauffällig wie eine Hasenscharte an einem Baby oder wie ein dreibeiniger Hund in einem Tretkäfig. WIR ERTRAGEN ES EBEN NICHT, DASS DIE KUNST, ALS EINE BLO?E BEKRÄFTIGUNG VON SICH SELBST UND DAMIT, ALS EINE TAUTOLOGIE, DAS SUBJEKT IN UNS VERDRÄNGT. Kunst muss also erst einmal auf sozial getrimmt werden und was heißt da schon, dass die Kunst, mehr als alles andere in diesem Universum, absolut keiner Bedeutung bedarf. Die Kunst, als solche und an sich, besitzt nämlich weder eine soziale Kälte noch irgendein warmes Mäntelchen, das sie wie ein gutherziger römischer Legionär mit irgendjemandem teilen würde, nur um einen Haufen alter, tattriger Männer im Vatikan damit zu beschäftigen, sich gelegentlich mit einer Heiligsprechung wichtig zu tun. Als könnte man so eine schlappe Kunst oder eine schlappe Religion aus der Klemme ziehen.



Vom Ei zum Weltall

Obwohl gegen eine Heiligsprechung nur schwer etwas konkretes einzuwenden ist, wirkt die Kunst fast komisch in ihren Anhäufungen darin. Hinzu kommt diese abwegige Vorstellung, dass sich außerhalb der Kunst ein Hohlraum befinde, der unter allen Umständen mit noch mehr Kunst vollgestopft werden muss. Da sollte es die Kunst doch einmal mit etwas Anspruchsvollerem versuchen und huldvoll ihre Zähne fletschen. Oder wenigstens wie ein enthusiastisches Kind beim Spielen einmal auf lustige Art und Weise den Pinsel wegwerfen. Das
Anhängselmäßige der Kunst an einen Hohlraum lässt nämlich allerhand windschiefe Ungereimtheiten offen. Warum zeichnet die Kunst ausgerechnet einen Sturzbach in der Höhe des Gotthards? Warum Wunderkind und Wiedervereinigung? Warum Leberwurst und Weltschmerz? Warum Protestantismus, Marxismus und Psychoanalyse? Einen schamlos schlechten Arzt nennen wir schließlich eindeutig einen Quacksalber und wenn Goethe eine Reise schildert, dann laufen die Erwartungen auf einen gemütlich, knisternden, glühenden Ofen unverzüglich voraus. Aus lauter Lüsten für das Brot, dass es gefressen werde. Das ist von bärbeißiger Anschaulichkeit und eine solche Atmosphäre aus dem Nichts heraus zu schaffen, das soll die bildende Kunst doch gefälligst erst einmal nachmachen.




Vom Bildhaften zum Bildleeren

Der Mensch hat offensichtlich ein Problem damit, dass ihm die Leidenschaften den Lohn versagen. So etwas kommt vor. Der Mensch hat sowieso überhaupt nur ständig Probleme mit irgendetwas. MANCHE MENSCHEN WISSEN NICHT EINMAL, DASS IHR KLEINER HUND SIE KENNT, ABER SIE PFLEGEN IHRE PROBLEME SOGAR NOCH VIEL BESSER ALS IHRE ZÄHNE. So ein Mensch verliebt sich nämlich gerne in die Kunst mit den Silben zu klappern: Problem-Ebenen, Problem-Felder, Problem-Bereiche, Problem-Kreise, Problem-Komplexe, Problem-Punkte und Problem-Lösungspotentiale. Das schmeckt nach einer breitgefächerten Palette, der unser Universum nicht einmal eine adäquate Zielkonstellation entgegen zu setzen hat. Man sieht ja auch, der Unterschied liegt anderswo. Unsere Existenz ist wahrlich nicht erstrebenswert darin uns mit Hunderten von Gefühlen zu betrügen, die unablässig zum Gemüt und zu den Sinnen sprechen. Und die Kunst spiegelt lediglich einige elementare Denkleistungen wieder: DAS VOLKSTUM, DIE LEHRERSCHAFT UND DIE PARTEIZUGEHÖRIGKEIT. Und doch gibt es da noch einige Bedenken. Ist die Kunst nicht längst in Wirklichkeit eine angeblich seuchenfreie Großvieheinheit, die unter Eingeweihten längst als ein Geheimtipp für ein Wettrennen unter bisher völlig unbekannten Viren gilt?



Vom atomaren Teilchen zum geteilten Ganzen

MIT DER KUNST BENENNEN WIR JA IM ALLGEMEINEN DIE KUNST UND NICHT DEN IMPRESSIONISMUS. WEIL WIR EBEN DAS GANZE MEINEN UND NICHT NUR EINEN PEKINESEN. DER IMPRESSIONISMUS IST SOZUSAGEN DER PEKINESE UNTER DEN KÜNSTEN. Und darin liegt bereits die erste Stufe einer Abstraktion von einer Rasse unter den Säugetieren als eine Zucht-Rasse. Aber selbst wenn der Pekinese, insbesondere im Vergleich mit den prähistorischen Fossilien in einer Vitrine, noch einer der lebhafteren ist, sollte wir in diesem Falle nicht auf Leopold von Ranke zurück greifen, der uns dazu ermutigt hat, das Allgemeine durch das Besondere darzustellen. In diesem Zusammenhang liegt es nahe, einmal mehr, den hervorragenden Kantforscher und Sanskritkenner Livingstone Randolph Scherrer anzumerken, da er herausgefunden hat, dass es im Wesen meiner Überzeugungen liege, unbekümmert das Falsche im Wahren und damit möglicherweise umgekehrt auch das wenige Wahre im Falschen zu behaupten. Warum er allerdings einen solchen Kunstgriff der griffigen Verdichtung ausgerechnet Kierkegaard geklaut hat, und nicht einfach Grillparzer oder Goethe, wird mir für immer ein Rätsel bleiben. Goethes Tischmanieren sind nämlich durchaus geeignet direkt aus dem Leben heraus gegriffen zu sein.



Vom Pekinesen zur Seegurke

Der Hund von Goethe hieß übrigens
MEIN EMIL, ein riesiges Vieh, das man ohne sonderlich darüber nachzudenken einfach zusammen mit einer dänischen Dogge und mit einem Bernhardiner unter das gleiche Begriffsdach schieben sollte. Der Hund bildet dabei mit Wolf, Fuchs und Schakal eine sogenannte Familie, die zu einer Unterordnung gewöhnlicher Landraubtiere gehört, in der auch Bären und Löwen zu finden sind, die wiederum einer Ordnung der Raubtiere zuzurechnen sind, einschließlich der Robben, die ihrerseits einer Klasse der Säugetiere entstammen, wie auch die Mäuse, Giraffen und Delphine, welche alle im Unterstamm der Wirbeltiere zusammen gefasst sind, gleichwertig mit Rotkehlchen und Krokodilen, noch bevor wir emsig zu einer systematischen Unterteilung übergehen, die dann sämtliche Unterstämme der Manteltierchen im Unterschied zu den Unterreichen der Vielzeller auflistet, und darunter zählen dann auch nicht wenige Skorpione, Bandwürmer und Seegurken. Wenn man nun, dem besseren Verständnis der Kunst zuliebe, eine solch anschauliche Klassifizierungsleistung einmal Schritt für Schritt auf die enorme Artenvielfalt der Kunst konsequent anwenden würde, dann sollte zumindest schlagartig klar werden, warum Goethe bei Tisch mit dem Finger auf jeden einzelnen Brosamen getippt hat um sie allesamt auf ein regelmäßiges Häufchen zusammen zu legen.

Vom Fehlstart zum Defizit

Aber die Kunst stochert ja in vielem nur herum und erzeugt dabei unendlich viele Krümel. Wer wird sich da noch groß wundern, dass schon zehn Putzfrauen fristlos gekündigt haben. Selbstverständlich war die Geschäftsleitung dann sofort darum bemüht, in den Nachrichten von einer quantitativen Sättigung in Teilbereichen des informationellen Kunstvermittlungssektors zu sprechen, aber wahrscheinlich ging es dabei nicht um mehr als um den schlichten Satz:
UNSEREN DEUTSCHEN PUTZFRAUEN HÄNGT DIE KUNST GANZ OFFENSICHTLICH ZUM HALSE HERAUS. Wie schon Martin Luther das verlangt hat sollten die ausgesprochenen Dinge eben Hände und Füße haben und genau das haben uns weder Pekinesen noch Seegurken zu bieten. KUNSTKRITIKER, DIE NICHT EINMAL EINE AMSEL VON EINER MEISE UNTERSCHEIDEN KÖNNEN, SOLLTEN DAHER FROH SEIN, DASS ES SO WEITLÄUFIGE WÖRTER WIE die Vögel ÜBERHAUPT GIBT, DENN EIN DER ABSTRAKTION ERSPAREN UNS die Vögel EIN DETAILIERTES WISSEN. Und überdies: Die Abstraktion klingt doch irgendwie gleich nach einem exzellenten Gehirn. Und ein sorgfältig komponiertes Ölgemälde ist nun einmal nicht halb so imposant wie die herausgeschleuderte Floskel von den subversiven Strategien. Hier gilt also für die Kunst einmal mehr das gleiche, was Franz Kafka sich auf einer Postkarte vom steilen Süd-Ende des Vierwaldstättersees notiert hat:
Von Bergen eingesperrt. Man sitzt gebückt, die Nase fast im Honig.



Von echt toll zu irre gut

Die Hennen gackern also im Hof, lahm und blass, und die Kunst wird uns sofort weis machen es handle sich hierbei um zwei Stück Geflügel mit einer zugespitzten Aussage, die, mittels interaktiver Module, unsere festgefahrene Wahrnehmung innerhalb eines soziopolitisch medialen Umfeldes hinterfragt, aufbricht oder eben ironisiert und dabei in den kommunikativ gesampleten Störfaktoren die kleinstmöglichste Einheit unserer Existenz verkörpert. Also ab damit auf die nächste Biennale.
PARS PRO TOTO heißt diese Technik und die Hennen, die lahm und blass im Hof gackern, stehen dabei als Teil für das ganze Weltbild, im griechischen auch eine SYNEKDOCHE, das Mitverstehen von einer aus dem Universum herausgegriffenen Schöpfungsgeschichte. Das geht so richtig unter die Haut. Aber im zehnten Gebot heißt es trotzdem immer noch: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib oder Vieh. Und eben nicht: Du sollst deine Schweine durch die Documenta treiben oder zusammengeknüpfte Ratten in die Obhut des gesunden Menschenverstandes hineinstopfen. Unterwegs zu dem
nächst gelegendsten Kleintierkadaverentsorgungsdepot sucht die Kunst so nach den Schlüsselwörtern für den Sinn des Leben.
KUNSTAUTOBAHNGEGENRICHTUNGSFAHRBAHNBENUTZER WÄRE DAFÜR SICHERLICH EINE ANGEMESSENE ZUORDNUNG, ZU DER SOGAR EIN BLINDER SEINE EIGENE VORSTELLUNG ENTWICKELN KÖNNTE. Also wenn das der Führer wüsste!



Von 1/2 Kilo Persil zu 3 Kilo Haribo

Versuchen kann man es ja mal. Und kein anderes Rezept für eine erfolgreich beachtete Kunst lässt sich so leicht und mit so durchschlagendem Erfolg verwenden wie das Kappen der Masten. Aber noch lohnender ist es die Masten von hinten einfach wegzuschießen. Von der Seite könnte ja eine ganze Prozession von Salven Zurücktreffen. Was also ist in der Kunst eine Argumentation, wenn doch die Argumente dafür längst ausgegangen sind?
UND WAS, BITTE SCHÖN, SAGT UNS EIGENTLICH DIE KREATIVITÄTSSTRUKTUR EINES KÜNSTLERS, SOBALD MAN IHM PLÖTZLICH FÜNF MILLIONEN FÜR JEDES KUNSTWERK BEZAHLT? NOCH BESSER WÄRE ES NATÜRLICH MAN WÜRDE DIESEM KÜNSTLER DAS DOPPELTE FÜR JEDES KUNSTWERK AUSBEZAHLEN, VORAUSGESETZT ER WÜRDE IM GEGENZUG DARAUF VERZICHTEN DIESES KUNSTWERK ÜBERHAUPT HERZUSTELLEN? Wäre das nicht endlich eine wirklich vernünftige Motivation dafür, dass heutzutage unbedingt jeder Mensch ein Künstler sein will. Zum einen wegen dem gesamtheitlichen Denken über die rauschende Vereinigung von Arbeit im Smoking und Freizeit im Brautkleid und zweitens weil in den meisten Fällen ein Künstler nicht einmal so schlau sein muss wie schlechtes Bild und drittens weil ein Bild, falls es jemals verkauft werden will, sowieso weit unter dem Bildungsdurchschnitt eines Käufers liegen muss. Ich spreche hier in erster Linie von der bildlichen Bannkraft des Geldes. Grün ist der Dollarschein, das sehen wir und quaken tut er und das hören wir ganz genau und glitschig ist er und das könnte uns von Nutzen sein. Aber das missglückte Annagramm mit dem sich Salvatore Dali in jenen grünen Froschkönig namens AVIDA DOLLARS verwandelt hat, trieft von allen Trivialitäten, die es mit einem idiotischen Karnevalslied gemeinsam hat. Nicht nur deshalb ist auch sein Schnurrbart die Pest.



Vom der Tierhaut zur Mattscheibe

Kein Kind schreit plötzlich heraus: Heureka, ich habe ein rotes Bild gemalt! Keineswegs, sondern ein gesundes Kind ruft einfach: Mami, Mami, schau mal her, ich blute aus dem Finger! Das Alarmierungsbedürfnis mit den Mitteln der Kunst zu stillen ist daher eindeutig den geistig schwächeren Personengruppen zuzuordnen. Aus den Ersteren werden dann Erwachsene mit einem unverkrampften Sendungsbewusstsein:
HEY, ICH HABE DEN PABST BEI EINEM SCHWANGERSCHAFTSWETTBEWERB ERSCHOSSEN UND BEKOMME EINEN KUNSTPREIS DAFÜR. Und aus den Debilen werden stinknormale Angestellte bei der Post mit einem unvollständigen Quantum an Ausdrucksmöglichkeiten: Mensch, hast du gestern auf Kanal 999 gesehen wie dieser Typ in ihr Badewasser gepinkelt hat? So etwas ist alles andere als überflüssig, denn jede Sensation schickt selbstverständlich ihre Herolde voraus, die eine kräftige Fanfare blasen, noch bevor 347 Personen mit einem Flugzeug abstürzen und die Arbeitslosentombola der Deutschen Bank ihre neuesten Ziehungsergebnisse verkündet. SCHLIESSLICH WENDEN DIE MEIISTEN SENSATIONEN SICH JA MIT VORLIEBE AN SOLCHE LEUTE; DIE VIEL ZU SPÄT EINGESCHALTET HABEN; DIE BEIM HERZUM ZAPPEN SOWIESO NUR MIT EINEM OHR DABEI SIND UND DIE WÄHREND DER GANZEN SUCHE NACH DEN MASSENVERNICHTUNGSWAFFEN IM IRAK GERADE UNTERWEGS ZUM KÜHLSCHRANK SIND UM ERDNÜSSE, PAPRIKACHIPS UND DOSENBIER HERAN ZU KARREN. Gemessen an dieser kurzen Zwischenbilanz, geht es den meisten Künstlern an einem Vernissagenabend eigentlich noch viel zu gut.



Von der Ankündigung zur Hauptsache

Dennoch kann die Kunst nicht immer so ungefährlich sein, wie ein Aufenthalt in der Aussichts-Cafeteria des World Trade Center an einem 11. September. In solchen Fällen tut der Künstler gut daran sein Anliegen in einer humorvollen Art und Weise vorzutragen. Sei es eine nicht alltäglicher Collage von unerwarteten Bildern, sei es ein komplizierter Sachverhalt in den Fragen der Komposition oder sei es die Gebrauchsanweisung für einen kühnen Werkbruch. Der Künstler kann so auch selbst beim zweiten oder beim dritten Anlauf immer noch dasselbe mehrmals wiederholen und einfach darauf bestehen, dass er damit etwas völlig Neuartiges mitzuteilen hat.
EIN SOLCH DREISTES VORGEHEN WIRKT IMMER WIEDER HOCHDRAMATISCH UND VERBLÜFFT DAS PUBLIKUM. ES IST ALSO DURCHAUS GEEIGNET DEN UNTERHALTUNGSWERT EINES KÜNSTLERS ZU STEIGERN UND DIE DAS PUBLIKUM FÜR IHN EINZUNEHMEN UND ES SIND JA AUCH NICHT IMMER DIE SCHLECHTESTEN KRIMIS, BEI DENEN WIR VON ANFANG AN DEN MÖRDER BEREITS KENNEN. Ich persönlich allerdings würde dann aber schon gerne einmal wissen, warum der Künstler überhaupt seine scheußlichen Verbrechen begangen hat und warum er überall seine Fingerabdrücke hinterlässt und weshalb er in Kapitel 25 ein solches Gedränge von Farben auf einer Leinwand veranstaltet und ob man ihn dafür am Schluss dann endlich in ein dunkles und feuchtes Verlies wegsperrt oder ihm wenigstens auf einem Marktplatz öffentlich einen Kopf kürzer macht.



Vom Farbengeklingel zu den hormonellen Argumenten

Informationstheoretiker sprechen hierbei von einer Redundanz der Kunst, einem Überschwallen der Kunst, einem Übermaß oder eben auch von einem Überfluss der Künstler. Aber das zweifache Hinschreiben von Geldbeträgen auf Schecks und auf Quittungen, einmal als Ziffer und einmal in Druckbuchstaben, wird dadurch, trotz aller erzielten Rekorde bei Christies und bei Sothebys, auch nicht vernünftiger erklärbar. Die Kunst scheint in Wahrheit irgendeinem tiefenpsychologischen Gesetz zu gehorchen, bei dem selbst Altmeister Wilhelm Reich die Spucke weg bleibt. Stillschweigend verneigen wir uns daher vor der Kunst, wo doch das einfache schweigen allein schon genügt hätte.
DIE KUNST FREUT SICH OFFENBAR UNS AUF DIE NERVEN ZU GEHEN, UND SIE FINDET SICH ABSOLUT TOLL DARIN UNS DIE POINTE EINES WITZES GLEICH DREIMAL HINTEREINANDER ZU ERZÄHLEN, WÄHREND SIE SICH AUF DIE SCHENKEL HAUT UND UNS DEN ZEIGEFINGER IN DIE RIPPEN BOHRT. Das Unerklärliche eines Kunstwerkes wie das tägliche Wetter mindestens stundenlang zu bequatschen ist nun einmal die vorherrschende Attitüde. Da erwischt einem sofort eine rotweingärige Atemluft aus Zisch, Schnalz und Reibeisenlauten, die diesen köstlichen Zungenmarathon durch alle Inhalte hindurch und über alle Inhalte hinweg treiben. WIE BEI EINEM KLEINKIND DER RECHTE DAUMEN, DER NIE SATT MACHT, SO IST DER MUND EINES KÜNSTLERS IMMERZU IN BEWEGUNG.



Vom rotznasigen Kaugummi zum gehobenen Ritual

Wozu erzeugen die Menschen überhaupt all das Schnarren, Schreien, Pfeifen und ihre anderen lärmenden Unterhaltungen? hat sich Immanuel Kant einmal gefragt. Er sah hierzu keinen anderen Beweggrund, als dass die Menschen ihre Existenz weit und breit um sich herum kundmachen wollen. Am allerschmerzlichsten ist das in der Kunst. Selbst Radiomoderatoren aus der Schmeißfliegenabteilung oder schnurrige Büttenredner sind da eine geringere Zumutung. Wie endete doch erst neulich der Festvortrag zur Eröffnung einer Ausstellung moderner Kunst von den Malkurs-Teilnehmern des oberschlesischen Vertriebenenverbandes in den Räumen der Molkerei Innung:
DASS DIES KEINE ABSAGE AN DIE TRADITION IST, SONDERN DIE NÜCHTERNE SCHLUSSFOLGERUNG, DASS DIE TRADITION IN DEM BEREICH DES HANDELNS DORT IHREN GRÖSSTEN WERT ERLANGT, WO SIE UNS HILFT, DIE ZUKUNFT ZU GEWINNEN. Na bitte! Dummerweise hatte das Ganze über drei Stunden gedauert und sämtliche Stühle waren für die Honoratioren des Stadtmarketing und des Kulturausschusses reserviert. Der Pöbel stand wie üblich mit brennenden Rückenschmerzen und mit wunden Zehen als kostenlose Bandenwerbung herum und bildete die Kulisse für einen unendlichen Horizont auf dem geschrieben stand, dass der Redner im Verlauf seiner Ausführungen völlig vergessen hatte mit Anstand das Schlimmste zu verhüten. Oder wenigstens rechtzeitig zu einem Ende zu finden. Aber es war schon schön, wie da Lessing mir gegenüber plötzlich beiläufig bemerkt hat:
Wer nichts zu sagen hat, kann eigentlich gar nicht platzen, wenn er das für sich behält.



Von Tsunami zu Best of Tsunami

Eine amerikanische Faustregel besagt, dass ein guter Vortrag maximal sieben Minuten lang ist, und das auch nur, wenn er mit einem Witz beginnt und mit einem Witz aufhört. Es ist daher traurig genug, dass die moderne Kunst in unserem Lande mit einem schlechten Witz beginnt und wir schon mit dem zweiten Satz einen triftigen Grund haben zu fürchten wie es enden wird. Hierzulande legt man nämlich eher einen strengen Wert darauf die Belastungsfähigkeit der menschlichen Existent einer peniblen Prüfung zu unterziehen. Seit das in Auschwitz nicht mehr ungeniert möglich ist hat der Deutsche die Eröffnungsrede anlässlich einer Kunstausstellung oder einer Museumseröffnung für sich entdeckt. Wir können nämlich nicht nur Fußball und Weltkrieg, sondern auch die Avantgarde. Mit Feuereifer sind wir jetzt wieder dabei. Das Rednerpult aus dem Berliner Sportpalast hat sich längst überall breit gemacht und zwischen genuschelten Endsiegtiraden auf die Malerei und leeren Durchhalteparolen für die neuen Medien werden alle Register gezogen um mit einem Mikrophon auf die Menschheit los zu gehen. Dabei verbirgt sich hinter dem Wort Kunst unverkennbar wieder einmal die Austauschbarkeit jeglichen ideologischen Gedankenguts.



Von Salz ist ungesund zu Salz ist illegal

Das Mittelalter hat ja die Details noch so behandelt, dass sie Leben und Farbe erzeugt haben, selbst wenn wir sie nicht allesamt mit den konkreten Vorstellungen einer Ikonographie verbinden können.
EIN KREUZIGUNGSHÜGEL ZEIGT DA NICHT NUR DIE UNSCHULDIGEN LILIEN, STELLVERTRETEN FÜR ALLE PFLANZEN AUF DIESER ERDE, SONDERN IST DURCHAUS BUNT VON ARNIKA, KABENKRAUT UND MÄNNERTREU, VON ROTKLEE, BUTTERBLUMEN, ENZIAN, SALBEI UND VERGISSMEINNICHT. Das ist natürlich etwas ganz anderes wie eine oberlehrerhafte
Video-Installation, die uns behandelt als ob wir weder Erinnerungen noch selbst irgendeine Phantasie besäßen. Man fügt nämlich neuerdings immer mehr leere Löcher in das Bild ein, um eine
Situationistische Unterdetermination zu betreiben. Der Künstler begnügt sich also, der Definition gemäß, mit einer nur scheinbar zu geringen Bestimmtheit des Ausdrucks und lässt uns hartnäckig an diesem Vergnügen teilhaben. Und ein anderer Künstler spielt eine lästige Mutter, die ihr Frühstück mitsamt fädenziehendem Eigelb und anderen gräßlich ausgemalten Dingen von sich gibt, um damit den Hunger nach den Bildern zu stillen. Von zehn beabsichtigten Kunstwerken, sollte ein Künstler daher lieber nur eines an die Öffentlichkeit zerren, und nicht ständig elf. Eine solche Dosierung wäre dann nicht nur im Sinne von Ludwig Thoma, sondern auch für unsere kunstüberstrapazierten Nerven eine gewisse Erleichterung.



Von der geschichtlichen Aufgabe zu einer dreistelligen Zahl

Ein entscheidendes Bild kann ruhig auch einmal ungemalt bleiben. Aber daran hält sich ein hochgejubelter Künstler, unterwegs zum Museum of Modern Art, natürlich nicht. Dabei sind viele Glanzstücke unserer menschlichen Entwicklung ja so konstruiert, dass uns gerade der Zwang zur eigenen Überbrückung des Nichtgesagten, zu einer Schlußfolgerung führt.
MANCHE MENSCHEN GLAUBEN NÄMLICH, DASS DIE GENIALITÄT ERBLICH SEI. ANDERE WIDERUM HABEN KEINE KINDER. Auch das ist nur ein naheliegendes Beispiel dafür, was ein gutes Bild wirklich für uns tun könnte. Ein Mordgeständnis muss ja nicht immer mit einem bleichen, schmerzverzogenen Gesicht gestammelt werden. WIR BRAUCHEN DER KUNST ALSO NUR DARIN ZU FOLGEN, DASS WIR DIE BOTSCHAFT SCHON LÄNGST VERSTANDEN HABEN, MIT DER MAN UNS ETWAS VORENTHÄLT. Niemand muss mehr mit durchgeschnittener Kehle am Strand herum liegen. Und die aufgetakelte Hure kann endlich aufhören damit von ihrem Grammophon den Ragtime in die Gassen zu dudeln, nur weil alle Männer Schweine sind. Da vollführt uns die Kunst mit ihrem Schwulst eine kleine bedeutungslose Spannung und betrügt uns in Wahrheit um ein Aha-Erlebnis. Welche Facetten eines Problems, von dem die meisten nicht einmal wissen, dass es eines ist.



Vom Radiergummi zur Schokolade

Nichts ist der Kunst gleichgültiger, als das Material aus dem sie schafft, würde Karl Kraus mir diesbezüglich bestätigen. Was ist schon die Schaffenskraft oder die Erfindungsgabe verglichen mit dem Eigenleben in einem Material? Im Material muss jeder Schritt folgerichtig aus dem vorangegangenen Schritt entwickelt sein und dem einzigen Ziel gehorchen die Farbe selbst sprechen zu lassen. OPTIMALE LÖSUNG, POSITION, TRANSPARENZ, ENTSCHIEDENHEIT UND KONSEQUENZ sind hier die Kriterien. Weitere gute Gründe sind der Spielraum, die richtigen Impulse, das echte Bedürfnis, die Suche nach der Identität, das gegenwärtige Anliegen und die restlichen Gründe. Dazu gehören auch das DRAMA, DIE DÄMONEN, DAS CHAOS und DAS IDEAL. Der Klang dieser guten Vorsätze bereichert die Kunst durch einen starken Expressionismus und ungewohnte Rhythmen, wie es im hundsgewöhnlichen Alltag selten ist. Wohlklang und Melodie. Denn in dem altbackenen
huson, hawi und uwila erkennen wir die Hose von van Gogh, das Heu von Monet und die Eule von Baselitz nur mühsam wieder.



Von der Schöpfungsgeschichte zum Autoradio

Und wie überaus traurig, wenn die Fantasie selbst plötzlich keine mehr hätte.
Fit for Fun ist eben noch lange nicht dasselbe wie tauglich für die Kunst. Und lustbetonter Geschlechtsverkehr mit einem Ausstellungsbesuch kommt etwas holprig daher. Schon allein deshalb braucht der Duden für die eingedeutschte Übersetzung einer so simplen Sache wie der Genialität 52 Zeilen mehr als für die paradoxen Konstellationen. Und nur zur Erinnerung: bereits in der elften Zeile finden wir unter a) ein feiner verdeckter Spott, mit dem man etwas dadurch zu treffen sucht, dass man es unter dem augenfälligen Schein der eigenen Billigung beiläufig erwähnt. Unter b) findet sich dann die Anmerkung, dass auch der Begriff homosexuell nachweislich eine andere Temperatur hat als einfach nur schwul. Aber homosexuell wird daher meistens nur von schwulen Fernsehkorrespondenten benutzt, die dem Ausland mitzuteilen wünschen, dass sie immerhin ihre politisch korrekten weichen Ziele auswendig gelernt haben. Manch populärer Wortmüll ist daher verständlicher als unsere eigene Muttersprache. DAS BABY STEHT HIER VOR DEM SÄUGLING, DAS FOTO STEHT VOR DEM LICHTBILD UND DER HOLOCAUST STEHT VOR DEN MASSENVERNICHTUNGSMASSNAHMEN. Aber das ist schließlich auch nicht viel verwirrender, als die Motive mit denen die Kunst ihre sämtlichen Imponiervokabeln ins Rampenlicht zerrt.



Vom Ochsen zum Roßbeef

Unter dem Einfluss der Kreativen in den Werbeagenturen ist die Kunst in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts dann ins Kraut geschossen. Halbwegs korrekt verwendet für das Talent, Ideen zu haben, die sich in Werke umsetzen lassen, hat die Kunst so zu ihrer ultimativen kreatürlichen Faulheit gefunden und zur Selbstverwirklichung beim Träumen unter Kirschblütenzweigen in der Toskana. Inzwischen ist die Kunst ein Mädchen für alles, einschließlich dafür, für jeden Passanten die Beine breit zu machen. Als postmoderne Muse für Sprücheklopfer, denen die Alibis nie ausgehen, weil Schöpfung ja auch meist irgendwie mit viel zu viel Arbeit verbunden ist.
MACH DOCH MAL EINE KLEINE COCA COLA PAUSE,
möchte man der Kunst da ernstlich besorgt zurufen, denn weder für die Kunstgeschichte noch für den Verlauf einer Evolution spielt es irgendeine Rolle ob nun in Hinterasien oder auf dem Broadway 5000 Jahre lang überhaupt nichts geschieht. Und wer da sofort
poliomyelitische Kinderlähmung sagt oder von einem kardiovaskulären Entwöhnungssyndrom spricht, wie andere von ihrem Flaschenbier und von ihrer Wurststulle, der sollte einmal unbedingt seinen Arzt aufsuchen oder seinen Apotheker.



Von Che Guevara zu Laura Croft

Da ein Knopf und dort eine Taste, hier ein raffinierter Chip und dort noch ein Haufen beschleunigter Pixel hingezaubert und schon spricht die Kunstwelt von einem neuen Zeitalter. Und besonders oberschlaue Künstler haben sofort den Bogen raus wie sie auf diese Art und Weise, die doch etwas anspruchsvollere Skala von Inhalt, Qualität und Oberflächenbeschaffenheit geschickt umschiffen können.
DIE KUNST IST JETZT DER ÜBERLAGERUNG VON INFORMATIONEN AUSGESETZT. WIR ERHALTEN SCHLAGARTIG IMMER MEHR UND NOCH MEHR INFORMATIONEN UND WIR AHNEN, DASS SO ETWAS NICHT GANZ UNGEFÄHRLICH IST. DIE BEEINFLUSSUNG DER SYNTAX DURCH DIE FLUT VDER BILDER. Der Gedankenaustausch zwischen Mensch und Maschine wird so zu einem Bildertausch gleich gesinnter Ideologien, ähnlich dem Austausch von Sonderbriefmarken anlässlich von einem philanthropischen Kongress in Korfu. Gib du mir deine - ich geb dir meine Bilder. Bilder, die darauf drängen vollständig abhängig zu sein von einer geographischen Lage, von einem soziokulturellen Einfluss und von politischer Macht. Die Bilder schwappen hierbei um die Erde und verkünden CHANCE, CLIQUE & CHIC so dass wir manchmal kaum noch zum Atemholen kommen. Einige isländische Philosophen sind darüber nachhaltig erschrocken, aber die Deutschen regt das offensichtlich wenig auf. Nicht nur weil der Anprall der Bilder bei uns bereits in der Penetranz der Überblendung von Faschingsumzügen und Holocaust-Dokumentationen geübt ist, sondern weil es uns in der Kunst an jeglichem Selbstwertgefühl gebricht. Für diese Behauptung gibt es übrigens einige starke Indizien, für die meine Übersetzungen aus dem Isländischen allerdings leider noch nicht vollständig abgeschlossen sind.



Von halbautomatisch zum Vollwaschgang

Ungerührt sprechen wir da von der Kunst wie von einem amtlichen Namen. Dabei handelt es sich doch keineswegs um einen Zwergenstaat, sonder um ein geographischen Riesenreich mit all seinen verschiedenen Landschaften. Die Vereinigten Staaten von Amerika, von Montana bis Florida, oder die Union der Vereinigten Sowjetrepubliken, vom Baltikum über den Ural bis in die hinterste Mongolei, wären da, zumindest in diesem Fall, einmal durchaus ein gutes Vorbild um die Kunst gründlich umzubenennen. Natürlich immer vorausgesetzt der kleine Häuptling von
Burkina Faso erhält bei der Europäischen Union kein Vorschlagsrecht, die Franzosen hören endlich auf damit uns die Alemannen zu nennen und die Finnen gewöhnen sich ab in uns die ostgotische Sachsen zu sehen. Die Umbenennung der Kunst muss also behutsam vor sich gehen. BLACKOUT; RECYCLING oder RUNNING GAG bieten sich hierfür an. Weniger geeignet hingegen sind JOGGING, PIPELINE und GROOVE, obwohl wir dafür immerhin eine tadellose deutsche Entsprechung besitzen. Der Dauerlauf,
Die Rohrleitung und Der Wühltisch. Allerdings sind einige Texter dieser subtilen Slang-Bedeutung des letzteren sich immer noch nicht darüber einig, ob sie damit nicht doch eher ein trojanisches Kreditinstitut oder eine australische Sitzgelegenheit meinen.



Von einem Fuß zum anderen

Eine andere Art von einem, zugegebenermaßen praktischen, Sammelwort ist der Begriff:
ALTE MEISTER. Diese zwei Worte von einem gotisch unschuldigen Klang äffen in Wahrheit ein angelsächsisches Vorbild nach. Dort heißt es Frontliner, aber da man in unserer völkischen Heimat aus Scholle und Boden erst vor gar nicht langer Zeit kurz und bündig darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass es sich bei einer Front bereits um die vorderste Linie einer Marschrichtung handelt, von der aus Stalingrad uns eines Besseren belehrt hat, haben wir noch eine Weile verlegen von einem Fuß auf den anderen herum gedruckst, uns einen Persilschein ausgestellt und danach vorläufig gewisse Wörter nie wieder in den Mund genommen. Seither heißt unser Lieblingswort ALTE MEISTER und nach der Sache mit dem dem D-Day waren wir sogar plötzlich artig genug , wenn auch etwas widerwillig, der
nicht-arischen Geschichtsschreibung eine
Küste zu überlassen und unsere verheißungsvolle Küstenlinie für den Endsieg wie eine geplatzte Seifenblase wehmütig auf einem staubigen Speicher einzumotten. Nicht gerade notwendigerweise hat man in der Folge angenommen unsere Ureinwohner der Kunst, nämlich die Alten Meister seien also eine Art Eigennamen in unserer Heimat, woraus man leichtsinnigerweise gefolgert hat, es wäre nicht grundsätzlich verkehrt, für eine so herausragende Leistung, nämlich immerhin zumindest zwei Weltkriege auf die Beine gestellt zu haben, ergänzend alle Deutschen höflichst mit dem Titel ALTE MEISTER in der dritten Person anzusprechen.

Vom Bluthochdruck ab ins Abstrakte

Man mag nun die vorzeigbaren Ergebnisse der Kunst, die seit den ersten Höhlenmalereien das Gemüt vieler unserer Mitbürger überwältigt haben, rosig oder deprimierend finden, widerlegen lässt sich schließlich keiner der sich da mehr als einmal fragt:
IST DAS DENN ÜBERHAUPT NOCH NATÜRLICH, WAS HIER GESCHIEHT ? Aber was spricht denn eigentlich dagegen, dass sich ein paar hunderttausend Künstler auf diesem Planeten breit machen? Dieser scheinbar vernünftigen Frage lässt sich eigentlich in allen Fällen ein entschlossenes: UND WOFÜR SOLLTE ES GUT SEIN ? entgegensetzen. Imponiergehabe? Oder etwa Tarnung? Das in letzter Zeit wie ein Virus überall verbreitete Hinweisschild No Smoking, bedeutet ja schließlich auch nicht das was es uns vorgauckelt. Statt einem herzerquickenden Smoking bei den Herren unerwünscht werden wir schwerfällig überrumpelt. Da wird der Umgang mit der Kunst doch unnötigerweise schwerer gemacht als es beim Eindringen von Attila und seinen Hunnen-Horden um 8oo nach Christus der Fall gewesen ist.



Von der Passage über unnütze Heldentaten zu den Flüssighunden

Übrigens: Der Durchschnittsmensch verbraucht ja bis zu 48 Prozent mehr Zeit um eine einfache verneinende Aussage zu verstehen.
IM UNTERBEWUSSTSEIN MAG MAN ES NÄMLICH NICHT, WENN MAN SICH VON EINEM BILD ERKLÄREN LASSEN MUSS, WAS ES NICHT IST. MAN MÖCHTE LIEBER WISSEN, WIE TOLL DIE WELT IST. Die Kunst hat gerade das immer wieder schmerzvoll erfahren müssen und schon lange vor dem Auftauchen der Psychoanalyse und der Zielgruppenforschung hat sie mehr darüber gewusst und zum Ausdruck gebracht, was sie davon hält, als es ihrem Gemüt irgendwie gut getan hätte. Immer wieder fühlen sich dadurch vereinzelte Künstler, wie ein kleines unbeugsames gallisches Dorf, gänzlich außerstande sich der schäbigen Harmoniesucht in den Wellness-Köpfen westlicher Wohlstandsblondinen in den Hintern zu schleimen. Die Kunst hat nämlich eine ganz große Schwäche: Bewusst oder unterbewusst hat die Kunst im Laufe ihrer Geschichte eine klammheimliche Freude am methodischen und besonders am strukturellen Vorgehen gefunden. Niemals würde die Kunst sich daher selbst anmaßen steif und fest zu behaupten was die Kunst eigentlich ist. Ein Künstler ist lediglich scharfsinnig genug eine präzise Analyse über die Gründe warum etwas keine Kunst ist abzuliefern. Dass die Kunst damit in die Nähe eines Sympathisantentums bundeskriminalamtlicher Rasterfahndungen oder einer Selektionsrampe gerät, halte ich allerdings für eine heimtückische und boshafte Unterstellung um die Kunst zu schädigen. Kein geringerer als Joachim Ringelnatz hat nämlich gesagt, was nicht nur für die Kunst, sondern auch für den Rest dieser wild gewordenen Welt immer wieder als einziges zutrifft:
Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.



Von selig zu ganz

So wenigstens denke ich, unbekümmert, wie sehr sich der Herr Pastor darüber wundert. Ich wundre mich nicht einmal, dass er sich wundert. Der Himmel erhalte uns noch lange in dem nämlichen Verhältnis, dass er sich wundert und ich mich nicht. Das wiederum stammt nun von Lessing und Lessing könnte da ein glorioses Vorbild sein, wie sich ein Kunstwerk und der Betrachter mit großem gegenseitigen Respekt begegnen können. DABEI GEHÖRT DIE KUNST NOCH NICHT EINMAL ZU DEN 8 SÄULEN, OHNE DIE DAS UNIVERSUM EINSTÜRZEN WÜRDE. SIE BEHARRT EINZIG AUF IHREN MITTELN DEM LEBEN EINE GEWISSE KRAFT ZU GEBEN UND EINE SCHLAMPIG DAHINGEROTZTE EVOLUTION ETWAS IN ORDNUNG ZU HALTEN. Die Kunst, ihrem selbstlosen Einsatz zum Trotz, dennoch mit einem Synonym für Ärgernis gleich zu setzen kann da nur der Lieblosigkeit und der allzu großen Unbedachtheit der Betrachter entstammen. Umgekehrt ist es nämlich unsere vorlaute Evolution selbst, die solch ironischen Wirkungen erzielt, als ob man denn einmal die Eheleute Auersberger am Anfang eines Romans von Thomas Bernhards schlichtweg durch das Synonym Evolution ersetzt. Da würde dann nämlich geschrieben stehen: Zwanzig Jahre habe ich von der Evolution nichts mehr wissen wollen und zwanzig Jahre habe ich diese Evolution nicht mehr gesehen und in diesen zwanzig Jahren hat mir diese Evolution allein bei Nennung ihres Namens durch Dritte Übelkeit verursacht, dachte ich auf dem Ohrensessel, und jetzt konfrontiert mich diese Evolution auch noch...



Vom Universum zur Urne

Sie haben Kunstgeschichte studiert? Ich auch- nicht! Sie haben die Bilder studiert? Ich auch- nicht! Sie sind Prediger? Ich auch! Sie sind ein ausgebildeter Übersetzer für jahrtausend alte isländische Weisheiten? Ich auch! Sie können die Psalmen einer Komposition auslegen? Ich auch nicht! Sie können ein Bild lesen? Ich auch- nicht! Sie haben sich 7 Sprachen und 48 verschiedene Dialekte mühselig selbst beigebracht?
Bjutifull, wirklich bjutifullll! In diesen biblischen Stilfiguren, mit denen schon Martin Luther gerne seinen Schabernack getrieben hat, beharrt der Betrachter auf seinen Gepflögenheiten und auf seinem Standort. Und das genau in jenem Tonfall, der aus einem Schulaufsatz sofort mit dem Rotstift heraus gestrichen wird. Da ist nur eine Steigerung möglich: Für das afrikanische Obervolta rechthaberisch die Hauptstadt Ouagadougou hinzuschreiben, damit alle sofort Bescheid wissen. 3 Tenöre haben also nicht völlig umsonst die Weltöffentlichkeit zu dem Bildungsbegriff Die drei Tenöre geführt. ABER MAN SOLLTE JA DEN MENSCHEN NICHT IHRE BERECHTIGTE HOFFNUNG RAUBEN, DASS UNSER PLANET NEBEN DEM BRANDTEIGSCHKOLADEKRAPFEN UND DEM VORARLBERG ÜBER KEINE WEITEREN ERTRÄGLICHEN VARIANTEN VERFÜGT.



Vom Nationalmotzen zum Müslikauen

Sie finden meine Art wahrscheinlich ziemlich ätzend, nicht wahr. Dabei haben sich doch gerade die Österreicher mit ihren Beschimpfungen immer wieder gerne nach vorne gedrängelt. Der Schicklhuber zum Beispiel oder der liebe Qualtinger. Das hat bei diesem Menschenschlag sozusagen Tradition. Der erstere stand damit schlagartig im Scheinwerferlicht und der andere wurde dafür ignoriert oder belächelt, dass er den Nachtisch dazu auf den Tisch gestellt hat.
IM ÜBRIGEN HABEN VIELE MENSCHEN IN UNSEREM LAND BIS HEUTE KEIN EINZIGES BÖSES WORT ÜBER DIE VERHUNZTE KOMIK VON IHREM GRÖSSTEN LIEBLINGSBESCHIMPFER ALLER ZEITEN VERLOREN, GANZ IM GEGENTEIL ZU IHRER VERACHTUNG UND HÄME, DIE IN IHRER SPRACHE ZUWEILEN ÜBER DIE KUNST GEKIPPT WIRD. Ein schlechter Mensch, wer da etwas anderes denkt. Die harmlose Kunst aufs heftigste zu beschimpfen, das scheint für das Volk geradezu gelegen zu kommen, während ein freundliches Eppi-leppi aber happy als Begrüßung eines Österreichers hierzulande wegen der Beschmutzung des eigenen Nestes äußerst verpönt ist. Und besser man erwähnt dann nicht auch noch, dass man die Juden affengeil findet. Das wäre des Guten doch etwas zu viel. Lassen Sie also niemals ihr Tagebuch offen herum liegen, damit irgendjemand auf Seite 83 plötzlich auf folgenden Satz stößt: Endlich gegen Mitternacht kamen die Eltern von einem Künstlerfest in der Diplomatischen Botschaft in Wien mit neuen Redensarten nach Hause, und die müden Kinder auf dem Sofa lachen demütig mit. Behaupten Sie einfach, dass sie diesen Satz in einem Anfall von romantischem Weltenschmerz bei Peter Handke abgeschrieben haben. Vielleicht kommen Sie damit sogar durch.



Vom Junkie zum Kettenraucher

EIGENTLICH IST DIE KUNST GENAU SO BLÖD WIE DIE SCHLAGERTEXTE. LAUTER FLOSKELN UND KESSE METAPHER, DIE SICH WIE KAUGUMMI IM MUND HIN UND HER BEWEGEN. Kunst schreit jetzt auch mit nach mehr und mehr Freizeit, nach viel Aufmerksamkeit und nach 15 Millionen Zuschauern. Sie gibt Schleimis und Legasthenikern die Chance ihre Tumbheiten und ihre polemische Billigware auszubreiten. Früher wären da nicht einmal ein paar Dutzend Leute Leute hingegangen um dem zu lauschen. Inzwischen gelten Tempo, Lautstärke und Blutleere als gesellschaftsfähig und der leibhaftige Schrott fließ, seiner Herkunft zuwider, nahtlos in die Museen über. Rhapsodische Tempelinschriften kopulieren mit einem lapidaren leergekritzelten Kugelschreiber auf einem Sockel. Hat sich die Kunst erst einmal entschlossen tätowiert nackt vor dem Spiegel zu tanzen, dann muss sie eben auch von Zeit zu Zeit eine neue Pirouette ersinnen. Und wenn tote Hasen süchtig machen, dann will man sie natürlich schweißgebadet seufzen hören. Schrullen bringen Erfolg und die Kunst tut deshalb auf ihre Art das einzig Richtige. Auf den Blindenunterschriften teil sie uns mit, dass zwischen dem, was vor der Kunst und dem, was hinter der Kunst steht, jeder erdenkliche oder, bei Bedarf, überhaupt kein Zusammenhang besteht. Das ist doch unheimlich schick, nicht wahr? Und es ist bestimmt genau so tiefsinnig, wie wenn der Förster aus dem Silberwald uns auf einer Autobahnbrücke mit der Faust zuwinkt, und auf seinem Hut steht mit der Sprühdose in großen Buchstaben geschrieben: EURE LETZTE STUNDE IST GEKOMMEN DAS ROTWILD NIMMT KEINERLEI RÜCKSICHT AUF DEN STRASSENVERKEHR!



Von vollinhaltlich zu bittersüß

Wer also Stil erwerben will, der sollte damit beginnen, keinen anzustreben, hat schon E.B. White gewusst und Schopenhauer vergleicht den Stil gar mit dem Grimassenschneiden. Da fallen uns doch sofort ein paar passende Gesichter dazu ein. Von der FDP zum Beispiel mit ihrer Politik der goldenen Mitte oder mehrere unangeleinte Kampfterrier von den Grünen. Als hätten wir seit der Kapitulation einen ungebremsten Nachholbedarf darin, dass etwas Überwältigendes sich in der Geschichte unbedingt noch einmal wiederholen muss.
Gehirnwäsche sagen wir deshalb weniger gerne als Kalter Krieg und Luftbrücke haben uns die Amerikaner beigebracht als wir noch weit davon entfernt waren zu begreifen, dass die Idee der Selbstbedienung nicht bei einem doppelt belegten Sesambrötchen mit fettig Kleingehacktem aufhört. DESHALB ALSO WURDE DIE MODERNE KUNST NACH DEM WELTKRIEG II FRISCH ERFUNDEN; UM DEUTSCHLAND EINES BESSEREN ZU BELEHREN. EINE SPÄTE RACHE FÜR MISSLUNGENE EXPERIMENTE AUF DEM GEBIET DER ZWILLINGSFORSCHUNG. Es wurde eine Ära in der wir bedenkenlos alles geklont haben, was die Moleküle hergaben. Den Keks aus cakes, den Koks aus cokes, den Schal aus shawl und einen Jackson Pollock aus dem Edgar Hoover CIA Fundus. Die Verantwortung für die Kunst lag jetzt plötzlich bei den Technikern und den Wissenschaftlern und irgendwo bei einer Handvoll hochrangiger Militärstrategen. Und die haben die Kunst um vieles ärmer gemacht als es die Kunst jemals von ganz alleine geschafft hätte mit diesem oder mit jenem Stuss.



Von blutleer bis zopfig

Den Damen zu Füßen des Katheders glänzen ja immer die Augen, wenn beim Eintreffen der Kunst die unfehlbaren Verben durch die Luft gewirbelt werden. Es handelt sich hierbei um Alleinstellungsmerkmale, ähnlich jener berühmten Kopfbedeckung, mit der sich Friedrich der Große ein unübersehbares Denkmal geschaffen hat.
MIT EINEM HUT LÄSST ES SICH EBEN LEICHTER ABGRENZEN, ALS MIT EINER EIGENEN IDENDITÄT. ABER NICHT EINMAL FÜR EINE SCHMEISSFLIEGE GIBT ES IRGENDEINE MÄNNLICHE FORM DER ANREDE. EISERN UND UNBEIRRBAR HAT SICH SO DIE SELBSTFINDUNG IN DER KUNST BREIT GEMACHT. Mit meist lächerlichem Klang belastet kommen dann auch noch die Aquarellistinnen , die Häkeldecklerinnen und die Ölfarbenbildermalereiweltmeisterinnen hinzu. Da müssen die Frauenbeauftragten, quer durch die ganze Bundesrepublik, eigentlich doch ungeheuer beeindruckt davon sein, was Heinrich Heine einen Kuhreigen der Freiheit genannt hätte Denn gerade die Kunst ist ja immer wieder allzu willig darin sämtliche idiotischen Hieroglyphen dieses Universums bis in die hintersten Ecken mit einem Anschein von Korrektheit zu versehen. Das mutwillige Zusammenzurren von höfischen Perückenmachern und verschrobener Begriffsstutzigkeit zu einem Prunkschnitzel wirkt aber nicht wirklich erfrischend auf mich. Um es einmal frei nach Alfred Kerr zu formulieren: NIRGENDWO WIRD EINEM DER ODEM DER DEUTSCHTÜMELEI SO AUFS BUTTERBROT GESCHMIERT, WIE IN DER KUNST. Und dass wir dem auch noch hinterher rennt, das ist wahrhaftig ein Trauerspiel.



Von Adieu zu Je t`aime

Mit der Postmoderne findet so eine dramatische Spaß-Gesellschaft statt, weg vom Geschnatter am Lagerfeuer und hin zu der Cinemascope Leinwand und dem
Dolby Surrounding Sound.
Ich hab also da hab ich gestern ich meine ... nicht wahr! Kunst verschafft uns endlich die Zeit uns etwas ausgiebiger damit zu beschäftigen wie brutal ehrlich doch die Künstler menstruieren und dass sie so neidisch aufeinander sind wie Katzenpisse. Die meisten solcher Autobiographien haben mittlerweile die spannende Frage veröffentlicht: WIE ERKENNE ICH OB MEIN HAMSTER SCHWUL IST oder sie kommen gleich im ersten Anlauf mit ihrer neuesten Gleitcreme und mit einem undisziplinierten Amoklauf daher. Und so etwas nennt sich dann Avantgarde und poltert gleich salopp in die örtlichen Fördermittel für die Kultur-Image Kampagnen hinein. Da sollte doch einmal mehr der kauzige Göttinger Professor Lichtenberg donnernd auf den Tisch hauen. Als der nämlich eine Mücke ins Licht fliegen sah und sie nun mit dem Tode rang, da sprach er es deutlich aus: Hinunter mit dem bittren Kelch, du armes, armes Tier. Aber man kann der Kunst die Barmherzigkeit ja nicht vorschreiben. Man sollte einmal schleunigst mit dem Papst darüber reden- der ist bestimmt falsch informiert.

Vom Führer-Feeling zur Partylaune im KZ

Kunst ist also irgendwie total interessant, weil sie einen 42 cm Mörser auffährt um damit Platzpatronen zu verschießen. Der Begriff
Luft verfügt dabei nicht einmal über ein Synonym, denn Brise oder Bö, sowie Sturm oder Orkan sind da eindeutig schwächer oder stärker. Und das gilt insbesondere, wenn es sich dabei gerade mal um hohle Luft handelt. Und nicht nur der Gottesmann greift sich da ganz schnell ans Hosentürchen. Aber geglaubt werden darf ja, das steht sogar in der Verfassung und obendrein gilt die simple Wahrheit, dass wir zwischen Lebensstandard und Lebensqualität längst aufgehört haben irgendeinen Unterschied darin zu finden. Und wir bekräftigen das auch noch mit unserem Interesse für die schöne neue Welt der Rechenmaschinen. Mit der gleichen Vehemenz übrigens mit der wir auf einem Tanklastwagen das Warnschild INFLAMMABLE, also entflammbar oder feuergefährlich, als Nicht entflammbar verstanden haben wollen. Auch für die Grimassen vor einem Bildschirm gibt es deshalb kein einziges Synonym, man kann höchstens sein Gesicht wahren. Aber dafür wie jemand sein Gesicht verliert, also dafür gibt es nun wirklich jede Menge Belege.



Von halb zog sie ihn zu halb sank er hin

Wie es scheint sind Künstler nicht instinktsicher oder einfühlsam genug, dass sie ihr Gehirn besonders klug bedienen. Das käme dann als dritte Qualität zu den Einspielergebnisse der Kategorien Gefälligkeit und Popularität hinzu. Reimut Reiche hat uns ja diesbezüglich darauf aufmerksam gemacht, dass viele, die damals
LIBERTE, EGALITE, FRATERNITE
brüllend herum gerannt sind, das nicht etwa wegen irgendeinem Inhalt gemacht haben, sondern weil es rhythmisch leichter in Schwung zu bringen war wie irgendein anderer sinnvoller Text.
INSOFERN KANN AUCH DAS KERNSTÜCK EINER KUNSTRICHTUNG SO HIRNLOS SEIN WIE EIN KARNEVALSSCHLAGER. Hauptsache dieses Ding hält jene berühmten 5 Minuten durch, die in unserem Universum allein dafür da sind um absolut jeden einen Star sein zu lassen. Die Kunst wird hier zu einem massenpsychologischen Gesetz, das uns mit solchen Mätzchen davon abhalten will auch einmal an etwas Vernünftigeres zu denken. Da wird es auch kein Zufall sein, dass die großen Schlagworte der Kunst in zwei bis zweieinhalb Sekunden in die Weltgeschichte heraus geschrieen sind wie ein lautstarkes HO/HO/HO Chi Minh.



Von Flambiert mit Reis zu Gebrauchte Versperhaxe

Eine erste systematische Untersuchung darüber, wie viele Bilder ein Betrachter überhaupt im Gedächtnis behalten kann, kam bei G. A. Miller auf gerade mal 4 bis 7 Bilder. Ein ähnliches Ergebnis wurde von einem Institut für Kybernetik vorgelegt, das sich mit der Frage beschäftigt hat, beim wievielten Wort in einer Eröffnungsrede das Verständnis aussetzt. Die Frage, die hier also einmal zu stellen wäre, lautet: Bei der wievielten Ausstellung innerhalb von einer Woche hat man eigentlich die Schnauze voll? Sprechen Sie doch einmal laut und deutlich folgenden Satz vor sich hin:
Also bei diesem Wetter ( kleine Pause) gehen wir lieber doch nicht baden.. Und noch etwas: Der durchschnittlicher Blickkontakt mit einem Bild beträgt gerade mal Eins Komma Eins bis Eins Komma Vier Sekunden. DAS WEIST DARAUF HIN, SCHREIBT ERNST PÖPPEL, DASS ES STETS NUR DEN EINEN INHALT DES BEWUSSTSEINS GIBT, UND DASS DIESER IMMER NUR FÜR WENIGE SEKUNDEN BESTEHEN KANN UM SOFORT VON ETWAS ANDEREM ABGELÖST ZU WERDEN. Wenn wir aber unsere Gegenwart als real anerkennen - wie lange kann das dann überhaupt andauern? Können sie jetzt vielleicht verstehen warum Hölderlin genau so erfolglos bleiben musste wie ich. Da sollten wir uns doch lieber still und bescheiden in die Küche verdrücken und eine kleine Brezel aus gefalteten Kinderhänden aufessen, bevor sie noch unachtsam von dem Küchentisch herunter fällt.



Von erstens zu zweitens

Ging es Karl Marx darum, in kritischer Anknüpfung an die Hegelsche Dialektik und an die Feuerbachsche Religionskritik die gesellschaftlichen Verhältnisse, als Wechselwirkung zwischen dieser Wirklichkeit und des Verständnisses von ihr zu begreifen, so versucht die Caravaggio Rezension in den 90er Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts auch die Kunstgeschichte und ihren Geldfluss nach dialektischen Bewegungsgesetzen zu ordnen. Puh. Das war eine ganze Menge auf einmal. Aber Zurückblättern, Nachlesen oder Nachschlagen in
Meyers Enzyklopädischem Lexikon, ist das heutzutage überhaupt noch erstrebenswert?! Und dabei habe ich auch noch mindestens fünf oder sechs verschachtelte Nebensätze aus diesem Kapitel heraus gestrichen. SOLLTE EINEM SÄUGETIER, DAS GERADE IM BEGRIFF IST, SICH FREUDIG ERREGT VON SCHLINGGEWÄCHS ZU SCHLINGGEWÄCHS IM DSCHUNGEL VORWÄRTS ZU HANGELN, SOLLTE DIESER GUTMÜTIGEN KREATUR ÜBERHAUPT IRGENDEINE ART VON KUNST ZUGEMUTET WERDEN? Aber man wird ja nicht zurecht kommen, ohne einmal die kulturellen Leistungen unseres Daseins, wie aus Bandagen heraus, Stück für Stück auszuwickeln. Versuchen Sie also einmal nicht ständig nach rechts und links von der Kunst abzuschweifen, wie eine launische Kreatur, die kaum dass sie einmal schwungvoll angesetzt hat, auch schon wieder ein Bein zu allerlei bedenklichen Verrichtungen aufhebt. Sie wissen doch, genau davor hat Goethe uns immer wieder zu bewahren versucht.



Vom Kosmos zum Surrogat

Warum aber traut die Kunst einem Betrachter nicht einfach zu, dass er sich mit dem einen oder mit dem anderen Gewirr der Kunst tatsächlich liebevoll auseinander setzt, wenn es sich ihm beim ersten Anblick nicht erschließt? Heißt das nicht auch im Umkehrschluss, dass die Kunst gute Gründe hat zu befürchten, dass es gar nichts zu erschließen gibt?
WER EINEN WEG GEFUNDEN HAT EINEN EINZIGEN EINSAMEN GEDANKEN NACHEINANDER AUF HUNDERTEN VON KUNSTWERKEN BREIT ZU TRETEN, DER SOLLTE SICH VIELLEICHT WENIGSTENS DIE BEHAUPTUNG SPAREN, ER HÄTTE DAS CHAOS DER IRDISCHEN VERHÄLTNISSE MASSSTABSGERECHT UND WERKGETREU ABBILDEN WOLLEN. Der Verdacht lässt sich kaum abweisen, dass die Kunst keineswegs ein Spiegelbild des realen Lebens ist, sondern eine Schutzbehauptung von solchen Leuten die in Wahrheit ihr Gerümpel lieber von einem erstklassigen Kunsttransport abholen lassen, als es selbst 3 Stockwerke die Treppe runter zu tragen und in den Müll zu werfen. Entweder weil sie allzu selbstverliebt sind, oder rücksichtslos genug um ihren Zynismus in eine kommerzielle Ware zu kleiden. Holen Sie also einmal tief Luft und warten Sie 5 Minuten lang geduldig ab, bis Ihnen zuletzt der Verstand schließlich sagt, dass nicht alle merkwürdigen Rätsel auf diesem Planeten unbedingt gelöst werden müssen. EIN BUCH KANN MAN DA SOFORT ZUKLAPPEN, EIN MUSEUM LEIDER NICHT.

Von Eunuchen bis zu den Sätzen 3 bis 9

Spreche ich zum Beispiel von einem modernen Kunstwerk, so bin ich plötzlich mitten in einem Knäuel von Zusammenhängen: Energie und Fett, Honig und Umweltschutz, die Kraft der Sonne und der Preis von einem Quadratmeter Filzstoff, die Strahlenbelastung durch die politischen Systeme, und schließlich das Restrisiko. Ein Hauch von Revolution, Krawallen und Friedensdorfidylle. Er wäre also anstrebenswert, dass es, neben der zentralen Forderung vieler Mitbürger:
Dieses Atomkraftwerk ist stillzulegen, endlich an der Zeit ist mutig aufzustehen, die Faust in den Himmel zu strecken und im Chor zu brüllen: WIR WOLLEN KEINE KUNST! WIR WOLLEN DIE NORMALITÄT. Und gründen Sie unbedingt sofort eine Partei oder wenigstens einen Verein, so etwas wird in Deutschland immer gern gesehen. Nennen Sie ihre Partei DIE PARTEI ZUR STILLLEGUNG VON KUNST. Und verlangen Sie dann unbedingt sofort nach einem Raum, nach einem RAUM ZUR STILLLEGUNG VON KUNST beispielsweise, weil ein Volk ohne Raum bringt ihrer Partei locker an die 60 Millionen Parteimitglieder, die auf so etwas nur gewartet haben. Und vergessen Sie nicht den Parteimitgliedern einzuhämmern, dass es sich damit auch um eine neu angebrochene Zeit handelt, um eine verheißungsvolle Zukunft in der jeder Mensch auf anständige Art und Weise Tausend Jahre lang jung und glücklich sein wird, wenn erst einmal die Atomkraftwerke der Kunst stillgelegt sind.



Von Kehrt zu Wendung

Die Kunst ist nämlich des Guten zuviel, müssen Sie sagen. Und sie müssen es ein kleines bisschen schnodderig und berlinerisch rüberbringen. Damit hat schon John F. Kennedy eine ganze Nation um den Finger gewickelt und dabei ordentlich Punkte gesammelt. Sie sagen also:
Die Kunst iss nämlich det Juten zuviel, meine Damen und Herren. Irgendeiner wird dann schon von ganz alleine damit anfangen Sie gründlich mißzuverstehen. Die Kunst ist nämlich des Juden zuviel, wird es dann heißen. DARAUF KANN MAN SICH HIERZULANDE EIGENTLICH IMMER GANZ GUT VERLASSEN. SIE MÜSSEN JETZT IN IHRER ORGANISATION NUR NOCH EIN PAAR ALLZU VORLAUTE KÜNSTLER AUS DEN REIHEN SCHUBSEN. GEBEN SIE IHNEN EINEN VERANTWORTUNGSVOLLEN JOB IM STRASSENBAU UND SCHON KANN ES LOS GEHEN. Aber bitte diesmal kein Wort von Friedrich Nietzsche. Behaupten sie einfach steif und fest, dass der einzige Nietzsche in ihrer Organisation Erwin Nietzsche heißt und in einem Kiosk um die Ecke Pferdeposter für kleine Schulmädchen verkauft. Ich kann nur dringend empfehlen sich, aus Gründen der vornehmen Zurückhaltung, gegenüber dem Ausland etwas mehr an Schopenhauer anzulehnen. Halten Sie sich an Die Welt als Wille und Vorstellung wo er gleich im Vorwort die zweifache Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerks empfiehlt. Schlagen Sie dort ruhig einmal nach. UND TEILEN SIE DANN DER PRESSE MIT, BEI IHRER PARTEI HANDLE ES SICH LEDIGLICH UM EINEN VOLKSNAHEN GEDANKEN, DER SICH, ALLER BEMÜHUNGEN UNGEACHTET, AUF KEINEM KÜRZEREN WEG, ALS IN DER STILLLEGUNG DER KUNST, HABE MITTEILEN LASSEN.



Von gehopst bis gehibbelt

Wenn es eine Impertinenz ist, anderen ins Wort zu fallen, dann ist es nicht minder eine solche, die Sprache in die Bildende Kunst einzukeilen, einen stumpfsinnigen Einfall darüber zu leimen und die Museen damit auszustopfen wie eine Gans mit Äpfeln. Man kann überdies so von einer Girlande viele weitere Girlanden herunter baumeln lassen. Der modernen Kunst ist es mit diesem billigen Trick immer wieder gelungen, ganz passable Kunst aus einer
TSCHIBO HITPARADE DER HUNDERT MEISTERWERKE derartig zu interpretieren, dass eine gradlinige Aussage dabei auf mehrere Ebenen zerfleddert wird. Man bemerke den feinen Unterschied. Da gibt es plötzlich Zusammenhänge des zweiten Grades, in die sage und schreibe 31 Zusammenhänge der unteren und der oberen Ebene eingeklinkt werden und zwar so, dass jeweils die obere der beiden Ebenen nach jedem Zusammenhang in Abhängigkeit von der unteren Ebene zugunsten von einem Ausflug in eine weitere mittlere Ebene verlassen wird. Da kann es doch eigentlich gar kein Problem mehr sein einem toten Hasen die Kunst zu erklären.



Von der Muse zur Plastiktüte

Was hier vollzogen wird, ist der wilde Akt zwischen der, ihrem Wesen nach, durchaus umgänglichen Kunst und der Schamlosigkeit ihrer Erbauer. Die Künstler schleudern die atomaren Beschleunigungsteilchen einer angeblichen Verwesung herum und beglücken diese
Schleudertechnik auch noch mit solch kuriosen Sätzen:
ICH HABE JA MIT FREUDEN, DER KUNST SCHON IMMER, GLEICHGÜLTIG OB MIR DER ERFOLG DABEI NÄHER ODER FERNER GESTANDEN IST, GERNE GEHOLFEN. Das lässt einmal mehr die Vermutung zu, dass die Kunst wirklich eine reine Glückssache ist. Das nachhinkende Werk legt dabei die Spuren einer Bedeutungserwartung aus, auf halbem Weg wenigstens irgendetwas von der Welt verstanden zu haben. Sonne, ruft da der Späher in die Höhle hinein um seiner Horde mitzuteilen, dass die Sonne entweder schon längst aufgegangen sei oder dass sie für immer verschwunden ist und sich weigert je wieder zurück zu kehren. Dem lässt sich dann auch manch elende Dürre zuschreiben und wäre ein Künstler jener Späher mit seiner schlechten Botschaft, dann hätte die Horde ihn gewiss schon gehäutet und aufgefressen. Eine mehr turbulente als sinnvolle Laufbahn in der wir lediglich den Entschluss würdigen, der Horde dafür nicht auch noch einen entsprechend anspruchsvollen Schulabschluss abzuverlangen.



Von Boote zu Bote

Beiläufig entdecken wir so in der Kunst auch das Element des Komischen und
ebenso wenig gibt es unter der Kunst keine, die nicht freiwillig komisch wäre. Offensichtlich will die Kunst JA sagen zu irgendetwas indem sie penetrant NEIN sagt. Seither jammert die Kunst auch ständig über einen zunehmenden Mangel des Interesses an der Kunst. Dass heißt, die Kunst klagt logischerweise ausgerechnet darüber, dass das Wenigerwerden des Interesses immer mehr wird. Aber was folgt daraus? Was nicht ist oder was nicht sein soll, das kann ja schließlich gar nicht oft genug verneint werden und darüber sind sich dann die eitlen Künstler und das muffige Publikum wenigstens einmal friedefreudeeierkucheneinig. ABER DA ES SICH HIERBEI UM DIE KUNST INSGESAMT HANDELT, UM EINE GATTUNG ALSO, DEREN OBERSTES ZIEL NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE VERSTÄNDIGUNG SEIN MUSS, HAT SELBSTVERSTÄNDLICH JEDER DIE FREIHEIT, DAS ABSURDE SPEKTRUM DIESER WELT AUF SEINE ART UND WEISE ZU VERSTEHEN. Der eine, weil er die überflüssige Existenz der Kunstwerke meint und der andere weil er eine proletarische Kraft darin wittert. Aber passen Sie dabei gut auf sich auf. Wird nämlich eine Willenserklärung nach § 118 oder aufgrund § 119 und § 121 angefochten, so hat der Erklärende, wenn die Erklärung einem anderen gegenüber abgegeben wurde, diesem, andernfalls jedem dritten jenen Schaden zu ersetzen, den der andere oder der Dritte dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit dieser Erklärung vertraut hat.



Von Lerche zu Leierkasten

Wenn ein Künstler dann erst einmal ein etablierter Künstler ist, dann findet man plötzlich folgendes über ihn in der Presse:
Der in Böhmen geborene, in Singapur aufgewachsene, nach London übergesiedelte, nach Wanderjahren durch Tibet und die angrenzenden Himalaja Gebiete, und in Chile von Patagonien bis zur Atacamawüste und bis zur peruanischen Grenze seine Erfahrungen sammelnde, mit Ateliers in Mallorca, Kenia und Nordchina beheimatete und in den USA zu Ruhm gelangte und schließlich von den Schweizern adoptierte, inzwischen auch als Schauspieler in der Verfilmung seines Lebens durch den rumänischen Oskarpreisträger Valentine Sergioesku bekannte, Shooting Star der Szene hat seine 57ste Einzelausstellung mit Ölgemälden des Ex- und des Impressionismus in den festlich ausgerichteten Räumen der Schlafzimmerabteilung des, direkt an der Autobahnausfahrt in der Nähe von Biberach an der Riß gelegenen, Möbelhauses Kurz und Söhne, in der Anwesenheit unseres Oberbürgermeisters Willibald Aribert Treiber und der hinreißend gekleideten Kulturreferentin Frau Doktor Kunigunde Hasselberger-Schnock, sowie des ehrenamtlichen Präsidenten der Freiwilligen Feuerwehr Ottmar Füssenegger, und unter großer Anteilnahme der aus weiten Teilen des Landesbezirks angereisten Bevölkerung und hier an dieser Stelle möchte unsere Redaktion einmal insbesondere unserem Jubiliar, dem inzwischen 73jährigenden Friederich Rüdiger Martin Riebenauer einen Dank aussprechen für seinen langjährigen Einsatz als Sachbearbeiter, die Belange des Druckereiverbandes vor der Industrie und Handelskammer unermüdlich vertreten zu haben, eröffnet.



Von hingesudelt zu angerichtet

Die Kunst ist stellenweise einem Leitfaden für orthodoxe Kommunisten nicht unähnlich. Oder einem Ticker, der unten im Bild hindurch läuft, um die Weltöffentlichkeit darüber zu informieren, dass der Präsident, der soeben ermordet wurde, noch vor kurzem beim Frisör gewesen war. Oder wie es der soundsovielte Redner bei der Eröffnung einer Ausstellung mit tiefgefrorenen Goldfischen eines jungen britischen Künstlers einmal so trefflich formuliert hat:
Mit Wein angefüllt, übereiche ich der Kunst diesen goldenen Becher. Von den Samischen Gesandten, die sich bei jeder Gelegenheit mit ihren langen Ausführungen hervor taten, sagten die Spartaner daher: Den Anfang haben wir vergessen, und das Ende haben wir nicht im geringsten verstanden, weil wir den Anfang schließlich aus den Augen verloren hatten. Wer also die im Nebel baumelnde Kunst dennoch verstehen will, der muss die Kunst überlisten. EINE GEBRAUCHSANWEISUNG ZU WELCHEM ZWECK UND ZU WELCHEM ZIEL MAN DER KUNST ABER ÜBERHAUPT FOLGEN SOLLTE, GIBT ES DABEI ALLERDINGS LEIDER NICHT. Wir sind nun einmal ein Land, wo man die Nase eher rümpfen lernt als putzen, würde Lichtenberg dem hinzufügen. Und es wird uns wohl letztlich nichts anderes übrig bleiben, als die Kunst sanft an ihrem Arm zu packen in spielerischem Polizeigriff und sie abzuführen ihren fleckigen Pfad entlang, zurück in das am Stadtrand gelegene Seniorenheim.


Vom Asthma zum Gehackten

Die Augen auskratzen möchte man der Kunst. Schlafen tut sie nie vor Mitternacht und ihre Botschaft entspricht der Kürze der Mitteilung darüber, dass in der Kunst ein Gedanke einfach nur sehr gut auf der Bühne auftreten muss, um seine schlichte Darstellung auszuhalten. Aber was tun nun eigentlich die großzügigen Museums-Tempel der Star-Architekten? Nichts natürlich, aber nicht so in den Schlagzeilen und in den Besprechungen: Sie laden nämlich ein zum Spazieren und zum Verweilen.
UND WAS HAT UNS DIE KUNST AN DEN WÄNDEN DORT GEBRACHT? DEN GEGENWERT EINER EINTRITTSKARTE ABGENUTZT ZU HABEN, VERMUTLICH. VIELLEICHT ABER AUCH NUR EINE LKARAMBOLAGE MIT DEM MENSCHLICHEN VERSTAND. IN DEN SCHLAGZEILEN JEDOCH, HABEN DIE KAUFWÜTIGEN SAMMLER DEM VOLK AN DIESER STÄTTE SEINE EIGENE KULTURELLE IDENDITÄT ZURÜCK GEBRACHT. UND DASS SIE DABEI NICHTS ANDERES IM SCHILDE FÜHREN, DAS HABEN WIR UNS JA SCHON FAST GEDACHT. Auch nur anzunehmen der Steuerzahler löhnt dabei einen Durchlauferhitzer des Großkapitals zeugt von einer Zwangsvorstellung. Und so ist das überall in unserer freiheitlichen Bundesrepublik. Die tollen Museen und die gesammelten Künste darin vervollständigen das Bild unserer Kultur, ganz so als ob vervollständigen irgendeine besonders wertvolle Tätigkeit wäre. Wir vervollständigen ja schließlich auch die Arbeitslosenzahlen, die Kriegstoten im Irak oder die Tsunami Opfer. Aber wenn uns ein Goethe hierzu bei einer Live-Schaltung vor Ort ins Mikrophon nuscheln würde: Ruckweise Sturmwinde peitschten uns voran und wurden mir zu einer Ahnung von der herrlichen Pracht unserer Reise, so wäre er bestimmt nicht unser Goethe, sondern höchstens der kleine Bruder von Reinhold Messmer.



Von Veni direkt zu Vici

18
SCHWÄBISCHE KÜNSTLER STEHEN INZWISCHEN SCHON AUF DER WARTELISTE FÜR DEN FLUG IN DEN WELTRAUM UND FÜR DAS ZUKÜNFTIGE MUSEUM AUF DEM MARS. ALLERDINGS WERDEN WIR NOCH EIN BISCHEN WARTEN MÜSSEN AUF DIESEN SPASS, DER NICHT GANZ BILLIG IST. UND VIELES FIELE UNS AUCH LEICHTER, WENN DIE KÜNSTLER AUF DEM MOND WIE VIEH GEHALTEN WÜRDEN UND GRAS FRESSEN KÖNNTEN. Die Kunst rennt hier ja hier unten auf der Erde sowieso immer nur quer über die Gleise oder schwebt ums Morgenrot herum. Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht. Aber im 4. Vers der Schöpfungsgeschichte taucht plötzlich auch noch der Satz auf: Und Gott sah, dass die Kunst gut war. Das hebräische Original allerdings besagt: Und Gott sah hin, und es war gut. Im allgemeinen Sprachgebrauch wiederum besagt dies lediglich: Man kann es damit auch genug sein lassen. Gott kommt also auf die Erde, lichtet die Nacht und zieht sämtlichen Künstlern die er erwischen kann schleunigst eine Tierhaut über den Kopf. Und plötzlich lässt die Eva dem Adam auch noch per Rechtsanwalt schriftlich ausrichten, dass ich ernsthaft an eine Veränderung unserer biologischen Zweckgemeinschaft denke, und zwar steht es damit so, dass ich möchte, dass wir bei der Trennung den Besitz deiner Kunstsammlung unter uns aufteilen. Es sollte also niemand weiter verblüffen, dass ich schon in jungen Jahren die Bibel beiseite gelegt habe und mich stattdessen dem Praktischen Handbuch der gerichtlichen Medizin zu gewendet habe, das 1856 von dem Geheimen Medizinalrat Johann Ludwig Casper veröffentlicht wurde. Es beginnt mit dem berühmten Satz: Meine Mörder sahen alle aus wie junge Mädchen.



Von Miss Florida zu Mama Auschwitz

Aber bei der Kunst handelt es sich ja auch gewiss nicht darum, irgendein Wunder zu offenbaren, sondern mit einer Schrottpresse der Welt zu erklären, warum alle Handlungen der Menschheit letztlich dort ihre endgültige Bestimmung finden. Kein Wunder also, dass da der Wald , der schwarz steht, schweiget, hat Mathias Claudius sich einmal diesbezüglich notiert. Aber erst im 14. Jahrhundert begannen die Humanisten nun etwas zu spüren, was sie für einen Mangel hielten. Es war der Anfang der Kunstgeschichte überhaupt. Die Höflinge und Bürokraten der Renaissance und des Barock hatten nun plötzlich richtig Mühe ihren bombastischen Pomp auch noch mit einem Anschein von Tiefsinn zu versehen. Und das 18. Jahrhundert war, wie jeder weiß, eine ehrliche Haut und konstruierte endlich den dazugehörigen Lebenslauf. Das klang damals noch recht unbeholfen
Es waren einmal zwei Brüder und der eine war reich und der andere arm. Da wollte der Arme sich aus seiner Not helfen, zog den Malkittel an und ward ein Künstler. Die aufkommende Postmoderne musste sich da schon etwas mehr ranhalten und bemühte ihre besten Schamanen. Seither wissen wir es etwas genauer: DIE KUNST LIEFERT GLUKOSE UND DAMIT ENERGIE, LEGT DEN NAHRUNGSÜBERSCHUSS ALS DEPOT FÜR MAGERE ZEITEN AN, SORGT FÜR DIE RICHTIGE ZUSAMMENSETZUNG DER VERDAUUNGSSÄFTE, BILDET STOFFE ZUR AUFLÖSUNG VON BLUTGERINNSELN UND SENDET REPARATURTRUPPS ZU DEN BESCHÄDIGTEN NERVENBAHNEN AUS.



Von der Lobhudelei auf Marc Lombardi zurück zur Natur

Nicht nur dramatische Handlungen laden dazu ein die Kunst zu mögen. Auch in der scheinbaren Statik das Drama sichtbar zu machen ist jetzt ein Anliegen der Kunst. Die Kunst versinnbildlicht sich so in den vorhandenen Mitteln unserer Existenz, zum Beispiel in den Alpen:
Die Alpen sind in Bewegung und das Matterhorn ist nur ein Durchgangsstadium -wir haben ziemlich Glück mit damit. Wer darüber hinaus die Reihung des Gleichen, die Parataxe ausreizen will, der sollte sich einmal Isaak Babel zuwenden: Ein junger Mann kommt in sein Heimatdorf zurück, findet seine Eltern ermordet vor und schlägt alle Nachbarn tot, weil er sie für schuldig hält. Also hier finden die künstlerischen Höhepunkte geradezu zu einem Staffellauf. MAN KANN FREILICH NICHT SAGEN, DASS DIE KUNST DADURCH BESSER WIRD, DASS SIE SICH DRAMATISCH GEBÄRDET, ABER SOVIEL KÖNNEN WIR MIT GUTEM GEWISSEN DURCHAUS BEHAUPTEN: DASS EIN KUNSTWERK IMMER ANDERS WERDEN MUSS, ALS WIR ES UNS NOCH VORSTELLEN KÖNNEN. Darüber hinaus würde ich mich jederzeit einem Aphorismus von Siegfried Kracauer anschließen. Der hat nämlich festgestelltt: An das Nichtmalenkönnen werden, seit es eine eigene Kunstform geworden ist, immer höhere Anforderungen gestellt.



Von Tiere, die wimmern zu Balken, die krachen

Und ist es nicht merkwürdig damit: Von der Welt wie sie ist, will die Kunst ihre Fördermittel, ihre Ankäufe und Ehrungen, aber von der Welt, wie sie in den Augen eines Künstlers sein sollte, nimmt der Künstler die avantgardistischen Maßstäbe um die Bigotterie eben jener Welt zu verurteilen, die ihn emsig durchfüttert.
DAS ERINNERT IN UNSERER FREIHEITLICH DEMOKRATISCHEN BUNDESREPUBLIK UNWILLKÜRLICH AN EINEN LANDWIRTSCHAFTSMINISTER, DER EIN GELERNTER KONDITOR IST UND IN SEINEM GANZEN LEBEN NOCH NIE EINE KUH GEMOLKEN HAT ODER ES ERINNERT UNS AN EINE ZWEI MAL GESCHIEDENE DROGENBEAUFTRAGTE, DIE ERST EINMAL DAS VÖLLIG UNMÖGLICHE IN TSCHERNOBYL GEBRAUCHT HAT, UM ÜBER DROGEN WENIGSTENS DAS ZU LERNEN, WAS UNS EIN PLÖTZLICHER REAKTORUNFALL DARÜBER MITZUTEILEN HAT. Wir entnehmen so den bisherigen Erörterungen keinerlei Trost darüber, dass die Kränkung und die schmerzliche Enttäuschung vieler Mitbürger, wegen des unkulturellen Benehmens von Seiten der Kunst, keineswegs unberechtigt ist. Und dem kommt noch hinzu, dass die Kunst in Wirklichkeit gar nicht einmal so tief gesunken ist, wie es der normale Mensch befürchtet, weil der Ansatz einer Hochkultur ja insgesamt, allen Versuchen der Evolution zum Trotz, gar nicht so hoch gestiegen ist, wie es eigentlich zu erwarten war. Unsere Kultur kennt nämlich, wie Karl XII nur einen einzigen Ablauf: Sie steht in der Morgenkälte zitternd um 4 Uhr in der Früh auf, reitet dreimal täglich um das Revier, exerziert die Truppen auf dem Hof, sitzt eine Viertelstunde unleidig auf dem Stuhl, und kennt nur ein einziges Vergnügen:
Europa zittern zu machen!



Von Fragezeichen zu Fragezeichen

Da ist es doch leicht verständlich, wenn selbst Goethe nur noch ein schlapper Vers dazu einfällt:
Ich grüße dich, du einzige Phiole, die ich mit Andacht jetzt herunterhole. Und es ist auch nicht weiter erstaunlich, wenn die große Masse der Durchschnittsmenschen, so langsam auf den Gedanken gerät, einfach das zu bleiben was sie ist. Die Kunst ist längst ein Wasserfall der nach oben springt und wird nur noch überboten von einer geschrumpften Schinkenpaste in einer Dose mit dem Aufdruck: HUNDESELCHFLEISCHAUFSTRICHKONZENTRAT. Aber der Deutsche ist nun einmal für die Anhäufung von nutzloser Bildung wie geschaffen, während sich ihm eine gewisse Feindlichkeit gegen die Komödie durchaus nachsagen lässt. Etwas genauer ins Auge gefasst: Der Deutsche ist für das Komische so unempfindlich wie ein Amboss. Da stellt sich doch wieder einmal die Frage: Darf ein Deutscher sich überhaupt, so kurz nach Auschwitz, mit einem Verbrennungsmotor in einem Mercedes Benz im Ausland beliebt machen? Sicherlich, würde Lessing antworten. WARUM NICHT. WENN DER DEUTSCHE SO ETWAS KANN. Und die Gegenfrage würde dann lauten: Darf der Deutsche sich eigentlich dann auch einmal nach Auschwitz mit einem richtig schlechten Kunstwerk hervortun? Daraufhin lautet meine Antwort: SELBSTVERSTÄNDLICH. WARUM NICHT? WENN DER DEUTSCHE DAS UNBEDINGT WILL.



Von Abend zu Brot und von Abend zu rot

In der Kunst scheint die äußere Verwegenheit ins Unermessliche zu geraten. Da zeigen uns die Kinderschuhe der ganzen Welt ihre Zähne und biegen den Nacken ins Moos unserer neugierigen Blicke. Alles was geschieht, ist gut.
WIE DOCH DIE KUNST ALLEIN DURCH IHREN HURTIGEN TRAB EINE GEWISSE FASZINATION AUSÜBT. SIND WIR NUN ETWA GLÜCKLICH UND ZUFRIEDEN? Man muss es einfach nur über sich ergehen lassen und man muss es geübt sein, wie man mit einem möglichst blasierten Gesicht dazu herum steht, als würde da irgendwo in den Ausstellungswänden ein unsichtbares Leben durch die Zweige säuseln. Da stolpern sich dann die Kunstwerke gegenseitig über die Füße und triefen und tröpfeln vor Edelmut. Und tatsächlich, da stampfen sich Armeen von Bildern aus der Farbe oder dem Künstler wächst gerade ein Kornfeld in der flachen Hand. Dass da gelegentlich die Ernte etwas klägliches ist hört da kaum noch einer und wenn man den Bildern auch nur einen ganz kleinen Schubs gegen das Schienbein gibt, dann mausern sie sich sofort zu einem gewaltigen, alles aufrüttelnden Erdrutsch und lachen sich ins Fäustchen dabei. Da, sagt die Kunst und schenkt mir nach, ein zweites und ein drittes Glas, kaum, dass ich es leer getrunken und keiner weiß so recht wie er sich die Kunst jemals wieder vom Halse schaffen soll.



Von Gregor Mendel zu Charles Cagniard de Latour

Für feine Ohren ist es ja noch üblich die Quellen sprudeln zu hören und gleichzeitig ihre Eignung für den Holzhandel oder für das Flößergeschäft zu erkennen.
KUNST HATTE EINMAL DEN GLEICHEN WORTSTAMM WIE SCHMERZLICH, WUND UND VERLETZT. SIE WAR EIN SYNONYM DAFÜR, DASS DIE MENSCHHEIT DAS FEUER ZU SCHLAGEN VERSTAND. Inzwischen ist sie der Arbeitsplatz derer, die einen Schreibtisch benutzen, ein Handy oder einen Internet-Anschluss. In solchen Bedeutungssprüngen hat sich der Fortschritt unserer Kultur vollzogen. SEITHER IST DIE KUNST EINE BOTSCHAFT, DIE ÜBERSPRINGT AUF EIN DING, DAS WIR ZUVOR NOCH BEDEUTUNGSLOS GENANNT HABEN. Dabei stützt sich die Kunst weniger auf das Ding, als darauf Bedeutungen zu schöpfen. Auf ein altes Bild frische Farbe aufzutragen gelingt hierbei mühelos. Die Kunst löst eben nicht nur die Fläche vergilbte Wände ab, sondern neuerdings auch die durch das Weltgeschehen verursachten Ängste. Und die Ideen tauchen jetzt auf wie Karpfen in einem Teich und verschaffen uns einen Ausblick, wenn schon nicht in ein liebliches Schwarzwald-Tal, so doch wenigstens auf die nächste Kunstsaison. Frühjahrskunst und Herbstmoden. Und längst wurde die Kunst für die Zwecke der Katastrophenwarnung entfremdet und auf der Suche nach dem Sinn des Ganzen fällt uns unwillkürlich jenes Gejaule ein, das nach den antiken Göttinnen des betörenden Gesangs und der Zerfleischung benannt ist. Das Wort Sirenen ist hier leichter zu verstehen und sollte in der Kunst eigentlich viel öfters auftauchen.



Von Autogramm zu Autogramm

Kunst drängt sich wie das fette Gesicht eines Oberkellners in die Tür, könnte ein anderes Gleichnis lauten. Oder auch, ihre Brüste bewegten sich wie Ferkel in einem Sack. Eine bittere Erkenntnis, die wir einem großartigen Dichter verdanken.
MAN SOLLTE ALSO AUFHÖREN DAMIT, DIE KUNST VERSTEHEN ZU WOLLEN. MÖGLICHERWEISE TEILT SIE UNS ETWAS MIT, DAS WIR GAR NICHT WIRKLICH WISSEN WOLLEN. UND ZUMINDEST SOLLTEN WIR DER KUNST EINMAL ZUGESTEHEN, DASS SIE NICHT WEITER BETRÜBLICHER IST ALS EIN MILDER SOMMER DES MISSVERGNÜGENS. Dennoch angeln wir weiter im Lächeln der Kunst nach gebratenen Hühnern, die wie Kruzifixe duften. Aber ist Kunst deshalb wirklich die schlechteste aller Existenzformen, seit Caligula sein Pferd zum Konsul gemacht hat? Ohne Weißblech wäre schließlich Manzonis Hinterlassenschaft völlig obdachlos und der Versuch in der Kunst die Zahnpasta in die Tube zurück zu drücken legt immerhin seine frechen Hände tröstend auf unsere Stirn. Und vielleicht ist ja auch die Kunst eben insgeheim weit klüger als wir, während wir immer weiter darauf drängen von den Kunstwerken wie von einem geilen Gebrauchartikel oder wie von einem Pirelli Kalender umworben zu werden.


Vom einer dünnen Suppe Hammelfleisch zu Aufgewärmtem

Ist Kunst wirklich sexy? Es erzeugt nun einmal Überdruss, wenn die Kunst, wie eine kranke Katze ihrem eigenen Schwanz hinterher jagt. Daher kursiert bei einigen Betrachtern seit einiger Zeit die vernünftige Faustregel:
MAN SOLLTE DIE KUNST ETWAS SPARSAMER VERWENDEN. LÄNGST IST DIE KUNST SO ÜBERMÜTIG WIE SADDAM HUSSEIN VOR SEINEM STURZ, ABER SIE ÜBERLEBT DABEI NICHT JEDES VERWAHRLOSTE ERDLOCH IN DEM SIE IHRE HALBWAHRHEITEN AN DIE WÄNDE NAGELT. An allen verfügbaren Stellen werden inzwischen Gemeinplätze von einem hohen Anteil an pummeligen Pfarrerstöchtern und von arroganten Kettensägen-Experten in die Welt gestreut und es gibt vermutlich kein einziges Hotelzimmer mehr, keine kunstengagierten Behördenflure, kein Schaufenster einer Wäscherei und keine freie Wand in einem exklusiven Damenschuhbekleidungsgeschäft, keine evangelischen Pfarrzentren und keine Schalterhalle in einer Volkssparkasse, keine Lücke in einer Pizzeria oder in einer Beratungsstelle für Drogenabhängige, keine Rheumaklinik und keine öffentliche Badeanstalt, keine Inneneinrichtungshäuser, Gebrauchtwagenbüros, Kaufhausabteilungen, keine Zahnarztpraxis, keine Rechtsanwaltskanzlei, keine Foyers in der Urologie, wo sich nicht die Seuche tummelt, dass irgendeine dahergelaufene frisch gerahmte Zumutung sich um die Befindlichkeiten des Betrachters bemüht.



Von Iglooik zu Iligliuk

Erst neulich habe ich die Kunst auf einer Toilette erwischt, wo sie sich gerade öffentliche Sorgen um die Erderwärmung und um das Liebesleben von Uschi Glas gemacht hat. Ein Nichts an Substanz lässt sich eben faszinierend darbieten, gegebenenfalls auch mit unscharf verwackelten abgemalten Zeitungsphotos und besonders wenn man Gerhard Richter heißt. Das Fragezeichen dient hier als Abwechslung in der Melodie mit der das wörtliche Zitat durch lautes Dazwischenreden unterbrochen wird oder als provokante Einladung zum Mitdenken. Wem dazu keine witzigen Bemerkungen mehr einfallen, der darf sich der Kunst endlich sicher sein.
DAS BESTREBEN DER KUNST, DEM BETRACHTER ALLE MÜHE ABZUNEHMEN, DIE WELT EINMAL SELBST UND OHNE DIE KUNST ZU BEGREIFEN, KANN NÄMLICH AUCH ÜBERTRIEBEN WERDEN. ZWAR LÄSST SICH IN DER KUNST DURCHAUS EIN GEWISSES MAXIMUM AN VERGÄNGLICHKEIT BEWERKSTELLIGEN, ABER DIES SAGT IN DER TAT NICHT DAS GERINGSTE DARÜBER AUS, OB SICH MIT DEN MITTELN DER KUNST TATSÄCHLICH EIN MAXIMUM AN ZUKUNFT HERBEI ZAUBERN LÄSST. Dann und wann werden also unsere Erwartungen zutiefst verletzt und unseren Augen wird in der Kunst eine Zerrissenheit zugemutet die unseren Verstand geschickt in Schach hält. Mit dem Bade das Kind ausschütten ist hier wieder einmal eine der trefflichsten Bezeichnungen.



Von Kopernikus zu Winnetou

Selbst Kunstwerke, die in unseren Zeiten längst nicht mehr unangenehm auffallen, verfehlen ihr Ziel, wenn sie dem Betrachter nicht einen kleinen Stoß versetzten, der den Verstand wach hält. Dann und wann muss der Gehirnmasse eines zivilisierten Säugetiers eben schon eine gewisse Anspannung zugemutet werden.
ABER ES IST NICHT WIRKLICH WÜNSCHENSWERT, DASS DAS EINZIGE MITTEL, DAS DIE KUNST UNS DAFÜR ZUR VERFÜGUNG STELLT, AUS LAUTER LEERZEICHEN BESTEHT, DIE DER BETRACHTER DANN MIT SEINEN EIGENEN ASSOZIATIONEN BESETZEN SOLL. Das ist wie ein Western in dem eine Postkutsche durch den Staub hetzt und etwas zu versprechen scheint, aber die Indianer dazu gibt es nur noch ausgestopft in einer Vitrine in einem Folklore-Shop. Langweilige oder sinnlose Tatsachen bietet uns die Realität bereits genug. Deshalb hat schon Tschechow gefordert: Wer ein Gewehr beschreibt, das an der Wand hängt, der muss dafür sorgen, dass es auch schießt. Das erscheint mir eine durchaus überschaubare Menge von Details und sollte deshalb eigentlich auch für die Kunst gelten. Wenn der Rumpf eines Kunstwerkes nämlich so geräumig gerät, dass der gesamte erste Mondflug in seinem Innersten hätte stattfinden können, dann bleibt uns nur noch Kant, der uns mit Worten von verblüffender Schlichtheit einen neuen Ansatzpunkt für das Weltbild beschreibt: Kopernikus, nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fortwollte, wenn er annahm, das ganze Sternenheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen könnte, wenn er den Zuschauer sich drehen und dagegen die Sterne in Ruhe ließe.



Vom hässlichen Kind zum Rock n`Roll im Louvre

Das berühmteste Beispiel für dieses stets ergiebige Verfahren hat Homer geliefert, indem er uns zu Augenzeugen des prächtig verzierten Schildes von Achilles macht:
Wie der Schmied unter dem Feuerhauch von zwanzig Blasebälgen Sonne, Mond und Sterne formt, dazu Jungfrauen, Flötenspieler, Hirten, Rinder, Schafe, Hunde und zwei Löwen, die einen Stier zerreißen, ebenso die Göttin Pallas Athene, den Ozean und zwei Heere in einer Schlacht.
Mit einem Erdbeben anfangen und dann ganz langsam steigern, so hat Samuel Goldwyn es von den Bildern verlangt. Und nicht, dass die Kunst neben ihrer Schwiegermutter auf einem weißlackierten und mit einem goldenen Löwenkopf verzierten Sofa sitzt, dessen Polster hellgelb überzogen sind.
WIR SIND EBEN SO BESCHAFFEN, DASS SELBST EIN MORD IN EINEM MUSEUM UNSER INTERESSE MEHR WECKT ALS EINE HONIGPUMPE VON JOSEF BEUYS UND DASS UNS EIN ARBEITSFREIER SAMSTAG WEIT WICHTIGER IST ALS EIN SYMBOLTRÄCHTIGER HUNDEFLOH IM BETT, AUF EINEM SOCKEL VEREWIGT. Schon die rechtliche Zuordnung verursacht da mehr Probleme als die künstlerische. Ist der Hundefloh, in diesem Fall von Kunst etwa ein Haustier, eine bewegliche Sache oder ein steuerlich begünstigter Untermieter? Oder bewegt sich die Kunst hier wieder einmal gar in einem rechtsfreien Raum? In unseren Tagen kommt eben viel zusammen. Die Bundesliga ist schiedsrichtergeschwächt, Feuergottheiten leben nur noch in Afrika und die Hundefloh-Künstlerin ist wegen ihrer Migräne und ihren Menstruationsbeschwerden nur begrenzt guggenheimfähig. Sie verlässt die Ausstellung hungrig wie eine Wölfin und wütend auf die ganze Welt. Aber wie hat schon der Ballett-Impresario Sergej Diaghilew einmal beiläufig gegenüber Jean Cocteau erwähnt:
Erstaune mich -- ich warte !



Von Programm zu Progrom

Die Geschichte der Menschheit ist ja auch eine Geschichte des beginnenden Glatzenbildung in der Kunst. Seit Oswald Spengler hat kein einziger Künstler mehr die Finger davon gelassen, mit einem großen Paukenschlag die Geschichte vorauszubestimmen. Und Jahrhunderte lang haben Renaissance und Gotik miteinander gestritten und Barock und Bauhaus haben auf den Schlachtfeldern unserer Innenstädte um die Vorherrschaft gerungen und nun sind sie allesamt müde und erschöpft. Erst ein paar Runden weiter werden sie dann zugeben, dass sie bereits in jungen Jahren mehrere Bausparverträge und etliche Rentenversicherungsdepots in beträchtlicher Höhe abgeschlossen haben.
WENN ALSO EINES TAGES IN DER KUNST ALLES VORÜBER IST UND WENN DIESE CHRONIK LÄNGST ZU ENDE GESCHRIEBEN IST, DANN SOLLTEN WIR BIS DAHIN BEREITS KAPIERT HABEN, WORUM ES BEI DER GANZEN SACHE EIGENTLICH WIRKLICH GEGANGEN IST. ABER NOCH KÖNNEN WIR SO TUN ALS OB WIR DAS ALLES GAR NICHT RICHTIG VERSTEHEN UND DA IST ES SCHLIESSLICH NUR ALLZU NATÜRLICH, DASS UNS IN DER KUNST VERSCHIEDENE DINGE IMMER WIEDER ETWAS SELTSAM VORKOMMEN. Die Kunst ist demgemäss ein verspielter Anfang, der sich damit brüstet, dass er keiner ist. Oder wie es Samuel Beckett es einmal so unvergleichlich formuliert hat: Die Sonne schien, da sie keine andere Wahl hatte, auf nichts Neues. Auf diesem kleinen intellektuellen Umweg werden wir also zu unserer eigentlichen Vermutung zurückgeführt, dass die Betrachter nicht wirklich allzu dringlich auf die Kunst gewartet haben.



Von Donner zu Schlag

Hier und da eine Prise Marcüs Bocüse, dort ein Löffelchen Immendorf, ein bisschen kostbaren Anselm Kiefer darüber gerieben und ein Hauch von New York und der großen weiten Welt und schon riecht es etwas merkwürdig muffig in einem Sachbuch über die Kunstgeschichte. Aber schadet eigentlich ein solch teutonischer Anteil an Plattheiten tatsächlich unserer darwinistischen Fortpflanzung der Säugetiere? Im Grunde genommen nicht wirklich, denn das meiste davon wird zuverlässig mit dem Ende der Show zu Grabe getragen werden.
DIE KUNST VERZEICHNEZT EBEN NICHT NUR, WAS GUT UND RICHTIG IST, SONDERN AUCH, WAS NUN EINMAL MIT EINER GEWISSEN REGELMÄSSIGKEIT ÜBLICH IST. DAS HEISST, WENN DIE KUNST HIN UND WIEDER EINEN FEHLER MACHT, DER DURCH DIE PENETRANZ SEINER STÄNDIGEN WIEDERHOLUNGEN IM BEWUSSTSEIN POTENZIERT, DANN WIRD SICH DIESER FEHLER AUCH ÜBER KURZ ODER LANG ZU EINEM FESTEN BESTANDTEIL DER KUNST VERANKERN. Kunst sorgt also lediglich für eine gewisse Kontinuität in Zeit und Raum. Und dass sie sich dabei auch gelegentlich selbst lächerlich macht ähnelt nun einmal nicht nur ganz zufällig jener sprichwörtlichen Zeitungsanzeige, die da in feminine Lettern setzt: Zimmer gesucht von Fräulein, durch welches ein warmer Kamin geht.



Von Lüge zu Lüge

Die Kunst bietet nämlich nicht die geringste Voraussetzung dafür, dass die Menschheit einmal die Zukunft meistern wird oder auch nur irgendeine Situation des Alltags.
SOLLTEN WIR DARAUS NUN ETWA FOLGERN, DASS DIE KUNST UNNÖTIG SEI, SO KOMPLIZIERT WIE SIE IST, SO UNLOGISCH WIE SIE IST, SO WIDERSPRÜCHLICH UND MIT HISTORISCHEM BALLAST BEFRACHTET? EIN GESTRÜPP VON BILLIGEN SENSATIONEN, VON VARIATIONEN UND AUSNAHMEN, VON UNTERABTEILUNGEN UND KURIOSITÄTEN. Ob die Evolution da wohl noch ein paar andere Hobbys hat? Schließlich macht allein der Kaviarschmuggel über 100 Milliarden Umsatz im Jahr. Der homo sapiens erfindet also die Kunst, nach eigenem Bekunden, mit ungebremster Leidenschaft und um der Kunst willen und nicht etwa um schnödes Geld zu verdienen oder um sich satt zu essen oder um ein Dach über dem Kopf zu haben. Und vermutlich heißt das Thema gerade wieder einmal: Wie man aus einem Fötus eine Streichholzschachtel bastelt. Ich war letztendlich beleidigt von dieser Art von Schöpfungsgeschichte. Wenn ich an Gott glauben würde, hätte ich ihm längst eine Ohrfeigegeben. Aber vielleicht lasse ich ihn dafür auch eines Tages präparieren wie eine ausgestopfte Katze mit einem kleinen goldenen Beschriftungsschild auf dem Sockel:
helft den armen vögeln





wolf pe. 2005



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